Pyranja Kolumne
Streuselkuchen und so
Jun 07
Es
war einmal ein runder Tisch auf dem ein riesengroßer Streuselkuchen
stand. Um ihn herum saßen acht dicke Bäuche, deren Mägen schon lange
nicht mehr geknurrt hatten. Draußen vorm Fenster rochen achttausend
hungrige Münder den verführerischen Duft der pudergezuckerten
Butterstreusel. Ab und zu gelang es dem ein oder anderen sogar einen
kurzen Blick auf die Kuchenstücke zu werfen, welche die dicken Bäuche
schwerfällig über den Tisch schoben, um sie dann unauffällig in ihren
nimmersatten Rachen verschwinden zu lassen. Gelegentlich warf einer der
dicken Bäuche sogar ein paar Streusel aus dem Fenster - nur um dann
ungläubig zu staunen, wie sich achttausend ausgemergelte Leiber um ein
paar Krümel kloppten. Satt wurde davon keiner, doch die Wut der
hungrigen Verlierer, die niemals die Gelegenheit bekommen würden auch
nur einen einzigen Streusel zu probieren, verbreitete sich
untereinander wie ein Feuer und steckte ihre Herzen in Brand. Wenn man
nicht weiß, was man verpasst, kann man es nicht vermissen. Doch wem
einmal auf hungrigem Magen der Duft eines frischen Kuchens in die Nase
stieg, wird ihn niemals vergessen können. Einige Mutige klopften von
draußen an die Fensterscheiben und baten die dicken Bäuche vergebens um
ein paar Reste vom Kuchenrand. Doch anstatt ihnen überhaupt auch nur
einmal zu zuhören, zogen die dicken Bäuche ängstlich die Gardinen von
innen zu und stopften sich weiter die süßen Zuckerbomben in den fetten
Hals. Selbst wenn sie es wollten, konnten sich die achttausend
Zurückgewiesenen nun nicht mehr einfach so zufrieden geben. Sie ahnten,
dass der riesige Streuselkuchen das Potential hatte, ganze
achttausendacht Mägen zu füllen und so hörten sie auf sich um die
wenigen lächerlichen Krümel zu kloppen. Sie erkannten, dass die
weggeworfenen Streusel ihren Hunger niemals würden stillen können. Sie
sahen, dass kein einziger der dicken Bäuche von allein auf die Idee
kommen würde auch nur eines der übrigen Kuchenstücke freiwillig
abzugeben - denn jeder der dicken Bäuche wollte dicker werden als die
anderen dicken Bäuche. Da erhoben die achttausend enttäuschten Seelen
ihre Stimmen und flüsterten sich gegenseitig Mut ins Ohr: ein einzelner
Finger ist schnell gebrochen. Mit einer Faust und der richtigen Technik
hingegen kann man selbst Fensterglas ganz einfach zerschlagen und alle
Gardinen zerreißen. Mit sechzehntausend Fäusten, achttausend brennenden
Herzen und durch hungrige Wut entfachter, unbändiger Willenskraft kann
man alles erreichen, zum Beispiel auch Gerechtigkeit.
Willkommen im Fightclub! Pyranja
/*