Pyranja Kolumne
Blue Crush
Jul 07
Für manche Menschen ist der Bereich in dem Salzwasser
auf Landschaft trifft nur eine Linie im Atlas, die grün von hellblau
trennt. Für andere hingegen ist dieser dünne Streifen zwischen den
Welten ein ganzes Universum, ein eigener Mikrokosmos, ein - zumindest
hier oben - relativ schnell erreichbarer Fluchtpunkt vor der
windstillen Hitze der Betonwüste im urbanen Alltagschaos. Diese
Menschen haben alle das gleiche Leuchten in den Augen, wenn sie den
Horizont nach Segelbooten absuchen oder in ehrfurchtsvoller Stille die
Sekunden zählen, in denen die blutrote Sonne jeden Abend zärtlich das
Meer abknutscht. Nichts versperrt den Blick, nichts lenkt ab vom
Wesentlichen. Der Übergang zwischen Wasser und Himmel ist wie Ferien
für die Pupillen. Ein leiser Streifen voller Ruhe in einer viel zu
schnellen, viel zu rastlosen Zeit, die der Seele freiwillig keine
Pausen mehr schenkt. Dabei ist es so leicht einfach abzutauchen und den
Sand nach Muscheln und Hühnergöttern abzusuchen. Es kostet nichts im
Schlafsack hinter den Dünen zu liegen und zwischen Lagerfeuer, Bongos
und Gitarrenklängen einzuschlafen, um dann zum Sonnenaufgang baden zu
gehen, wenn das Meer noch kristallklar ist und in heiliger
Unberührtheit vor einem aufwacht. Die Wellen und der Wind fragen dich
nicht nach deinem Namen, sie fragen nicht ob du Schüler, Student,
berufstätig oder arbeitslos bist – am Strand zählt nur der Augenblick.
So wie die Momente, in denen man Schlammschlachten mit gerade gebauten
Kleckerburgen (oder auch mal Quallen) austrägt, in denen man um die
Wette taucht, zur Boje schwimmt, sich auf Luftmatratzen und
Schlauchbooten einfach mal für eine Weile treiben lässt. Die Momente,
die man eingebuddelt im Sand verbringt und die, in denen man zwischen
all den unzähligen Spielzeugen wie Windsurf-, Kite-, Wake- und
Skimboards, Beachvolleybälllen, PingPong-Kellen und Frisbeescheiben,
Angeln, Jetskis, Kanus, Tretbooten und Katamaranen die Zeit komplett
vergisst und der Stress von Morgen so weit weg wie der Herbstanfang
ist. Die Momente am Abend, an denen die Fähren bei ihrer Einfahrt in
den Hafen regelmäßig Wasserberge an den Strand drücken, nach denen die
Wellenreiter ihren Tagesablauf planen. Die Momente, in denen man später
unverhofft weiße Sandkörner in den Schuhen findet und sie mit Absicht
nicht entfernt, um die Erinnerung an die Vergangenheit noch ein kleines
bisschen fest zu halten. Den Menschen mit dem Leuchten in ihren Augen
genügt oft schon das Glück der kleinen Dinge. Doch auch wenn uns
Ostseekindern all dieser Luxus manchmal so normal erscheint wie das
Atmen, so behaupte ich, dass keiner von uns jemals wirklich mit einem
verdreckten Süßwasserbaggerschlammloch am Rand einer vertrockneten
Wiese klarkommt, oder???
Eure BeachChica4Life, Pyranja
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