Unter diesem Motto macht die erfolgreichste Sonderausstellung der Welt Zwischenstation in Rostock. Bereits über 36 Millionen Besucher haben die aufwendigen und in stundenlanger Handarbeit gefertigten Plastinate von Gunther von Hagens bereits bestaunt.
Mit dem Fokus auf das Herz-Kreislauf-System will man den Besucher nicht nur zum Staunen bringen, sondern auch Wissen vermitteln. Mehr als 200 Präparate können noch bis zum 1. September in der HanseMesse bewundert werden.
Die Stimmung ist anmutig wie in einem Gotteshaus. Und vielleicht schwebt auch die eine oder andere Seele durch den Raum, sein eigenes früheres Ich betrachtend. Die Hallen der HanseMesse sind abgedunkelt, die Objekte durch die Beleuchtungskonzepte perfekt in Szene gesetzt. Nichts soll den Besucher ablenken. Fokus auf das, was am Anfang noch ein Skandal war. Doch dieser ist über die Jahre abgeebbt. Was offenbar geblieben ist, ist die Faszination, welche von dieser Form der anatomischen Darstellung des Menschen ausgeht. Hier setzen die Macher an, hier liegt auch die eigentliche Intention: Die Wissensvermittlung für Laien, man soll ein Verständnis für sich und seinen Körper entwickeln, das Verhältnis zu ihm vielleicht sogar neu definieren. Eine Dame, welche den offensichtlichen – fast schon ekelerregenden – Unterschied zwischen einer Raucherlunge und einer Gesunden erblickt, steht nur fassungslos da, und murmelt "Oh mein Gott". Und vielleicht ist so die nächste Zigarette in weite Ferne gerückt. Misson accomplished!
Grundlage für die Ausstellung bilden die Köperspenden. Hierzu wurde vom Institut für Plastination in Heidelberg ein eigenes Köperspendeprogramm aufgelegt, welche es Menschen ermöglicht Ihren Körper nach ihrem Ableben zur Verfügung zu stellen. Mehr als 13.000 Personen haben sich bereits registriert, ein Großteil kommt aus Deutschland. Nach den Beweggründen gefragt, geben viele Spender an, einem guten Zweck dienen zu wollen. Aber auch die Begeisterung für die Plastination spielt eine wichtige Rolle. Für mach einen sind es aber auch die monetären Aspekte - nämlich durch die Körperspende die Beerdigungskosten zu sparen. Bei der Plastination, welche im Jahr 1977 von Dr. Gunther von Hagens entwickelt wurde, werden dem Körper zunächst die Köperflüssigkeiten und löslichen Fette entzogen. Danach folgt eine Imprägnierung, hier werden die übrigen Köperflüssigkeiten durch spezielle Harze und Elastomere ersetzt. Zuletzt folgt die Aushärtung. Im Ergebnis entstehen geruchslose und dauerhaft haltbare und auch lichtresistente Präparate. Wer durch die Ausstellung schlendert, sollte zum einen Zeit mitbringen. Der mit Audio-Guide geführte Rundgang verschlingt die Minuten, als wären es Sekunden. Beeindruckend und irgendwie unheimlich zugleich.
Vielleicht steckt in dieser Ausstellung noch viel mehr als die anatomische Wissensvermittlung, vielleicht ist sie auch Anregung für jeden Besucher sich über etwas Gedanken zu machen, was im normalen Alltag ausschließlich verdrängt wird. Vielleicht liegt hier das avantgardistische Momentum, nämlich der Aufbruch des gesellschaftlichen Kanons: "Vom Tot möchte ich nichts wissen". Und natürlich kann der erste Kontakt für den Unbedarften nur unheimlich sein. Aber letztlich waren es auch immer die Menschen in der Wissenschaft, welche die gängigen Konventionen aufgebrochen, und damit für einen wie auch immer gearteten Fortschritt gesorgt haben.
PAUL FLEISCHER