Man möchte meinen, dass das soziale Lesezeichensetzen mit der schönen, leider langsam zum Oxymoron verkommenden, Idee Ludwig Erhardts, der sozialen Marktwirtschaft, mal so gar nichts gemein hat. Das stimmt jedoch nicht ganz. Unterstützt doch auch hier der stärkere, also aktivere, Nutzer den schwächeren, weniger Aktiven durch das Speichern seines Erwirtschafteten, also seiner Lieblingsseiten.
Doch warum sind 'social bookmarking' – Dienste so populär?
Zum einen liegt das natürlich daran, dass der Lesezeichenordner im Browser seines Vertrauens zu schnell zu voll und unheimlich unübersichtlich wird, wenn man tatsächlich seine Lieblingsseiten abspeichert und interessante Nachrichten aufbewahren möchte. Hinzu kommt, dass die meisten großen Seiten im Netz mehr und mehr versuchen ihr Angebot zu kanalisieren. So haben einige damit begonnen, die IP-Adressen des Nutzers zu erkennen, um schon von vornherein die Suchergebnisse lokal darzustellen. Was dem 'normalen' Nutzer sicher weiterhilft, sich für Vielsurfer jedoch häufig als nervend darstellt. Ergibt sich daraus doch ein größerer Aufwand bei der Suche nach lesenswerten Nachrichten abseits der deutschen Medienlandschaft. Hier kommt social bookmarking ins Spiel.
Denn diese Dienste sind internetional und meist kostenfrei zugänglich.
Wenn man nun bei den bekanntesten Anbietern nach Rostock sucht, bietet sich fast ein Bild des Grauens. Zwar findet man bei der Webseitensuche immer ein paar hilfreiche Links zu wichtigen Seiten der Stadt, sucht man jedoch via 'Tags' oder nach Nachrichten, offenbart sich nahezu ein Dschungel von Schreckensmeldungen über G8-Gipfel oder Hansa bis hin zu Lichtenhagen 1991.
Lediglich der größte deutsche Bookmarker www.mister-wong.de aus Bremen sticht da mit gut 300 wild gestreuten Lesezeichen hervor und bietet sich somit auch als alternative Suchmaschine an, und nicht nur das. Man findet neben einem Blog zudem im Spotlight Links von bekannten Persönlichkeiten, kann Gruppen gründen und Freunde finden und rutscht somit vom social bookmarking fast ins social networking. Das Rundumsorglospaket.
Die Schweden von www.netvouz.com bieten da lediglich 5 Ergebnisse für Rostock, bestechen dafür aber durch eine einfache und gut zu strukturierende Gruppierung der Links durch Schlagwörter. Der Klassiker.
Auf der amerikanischen Seite del.icio.us findet man dann schon wieder 900 Bookmarks mit den oben genannten Problemfällen. Es lassen sich kaum Unterschiede zu den anderen Anbietern finden. Die 'tagcloud', Schlagwortwolke, ist ein schickes Gimmick, ansonsten gilt: Die Masse macht’s. Der Allesfresser.
Wirklich schön hingegen ist das Prinzip bei www.digg.com. Frei nach Isaac Hayes' "Can you dig it?", kann hier jeder bei Artikeln mit diesem Zusatz kurz und schmerzlos zeigen, dass er die Veröffentlichung toll findet und diese damit bekannter machen. Hinzu kommt die Möglichkeit die Suchergebnisse zu individualisieren und bald kommen noch automatische Empfehlungen hinzu. Der Revolutionär.
Es ist also für Nutzer durchaus hilfreich mit seiner Linksammlung nicht zu geizig zu sein, kann man die heiklen Sachen doch bei allen Anbietern geheim halten und erfährt durch die Veröffentlichung seiner Links auch noch mehr über seine Lieblingsthemen und das ohne großen Aufwand.
Übrigens: Auch Facebook bietet 'social bookmarking' an. Wann studiVZ wohl nachzieht?
In diesem Sinne: "Spread the news!"
Von RENALDO DETTLOF