Eintracht Frankfurt in der zweiten Pokalrunde, ich bestellte noch ´ne Lokalrunde, denn das weckte Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Es war der letzte Spieltag unserer ersten Bundesliga-Saison und unsere Viererkette war komplett im Verein eingebunden.
Zwar hatte Kuno seinen Stammplatz im Tor verloren, aber das war nicht weiter wild, weil Fußball eigentlich nur noch ein Hobby für ihn war, mit dem man auch noch Geld verdienen konnte. Eigentlich hatte Kuno damals gar keinen Bock mehr auf Fußball, denn er war schon vor dem Mauerfall Anhänger asiatischer Kampfkunst geworden. Der Trainer, "uns´ Uwe", hatte die Veränderungen bei Kuno bemerkt und den dicken Daniel Hoffmann in die Kiste gestellt. Kuno war´s egal, hatte er doch so mehr Zeit, seinen Asia-Hokuspokus zu erlernen. Wir haben immer gesagt, wenn er auf Fernöstliches stehen würde, solle er nach Phuket in den Urlaub fahren oder eine Sushi-Bar aufmachen. Doch ich schweife ab.
Märzer stand damals noch voll im Saft und damit auch in der ersten Mannschaft. Der alte Fuchs hatte es nach dem Rauswurf von Reinders geschafft, wieder ins Team zu rutschen. So war er irgendwie omnipräsent: auf dem Platz war er fast genauso beweglich wie seine Werbebande daneben. Ja, der Heiko war Geschäftsmann. In seinem Modeladen am Pornobrunnen vertickte er damals den heißesten Scheiß der Stadt: Blousons und Bundfaltenhosen im Miami Vice-Look, grell-bunte Seidenhemden mit passenden Krawatten, Slipper und Manschetten-Knöpfe, es gab alles. Und Märzer war der erste in der Truppe, der Tanga trug. Ein Riesen-Hallo gab das in der Umkleide, der Heiko in der Unterwäsche von seiner Frau. Fand er gar nicht witzig. "Echt Armani!" schimpfte er, als die Lachsalven sich legten, "Ihr werdet schon sehen! Wenn die besten Sportler der Welt damit rumrennen, könnt ihr sagen, ihr kennt den ersten, der sich zu Tangas bekannte." Unser Heiko war damals der absolute Trendsetter, so dass es nicht lange dauerte, bis fast die ganze Mannschaft seinem Beispiel folgte. Nur Kuno blieb seiner Linie treu und verzichtete konsequent auf Unterwäsche, obwohl ein fast ka(s)t(r)astrophalen Unfall auf einer diese Sprossenbänke fast das Ende sener Karriere zumindest im Männerbereich bedeutet hätte. Seitdem lag immer ein Kimono auf seiner Bank.
Der Gerd, unser Alterspräsident, hatte damals die Mütze auf im Verein. Er hatte dafür gesorgt, dass Reinders gehen musste, und als ich mich dagegen aussprach, zerriss er meinen neuen Vertrag und ich stand zum Saisonende ohne Verein da, falls wir absteigen würden. So ging es also für den Verein, für mich und für die Frankfurter um alles, schließlich konnten wir noch in der Liga bleiben, damit hätte sich auch mein Vertrag verlängert, aber Frankfurt hätte mit einem Sieg auch Meister werden können. Naja, der Rest ist bekannt: obwohl wir unter kräftiger Mithilfe des Schiris gewannen, stiegen wir doch ab und ich war raus aus dem Geschäft – für´s erste.
Die Frankfurter waren am Boden zerstört. Ihr linker Verteidiger Ralf Weber lief komplett Amok, wollte dem Schri und seinem LiRi an den Kragen, weil den Hessen der klarste Elfer aller Zeiten verweigert wurde. Nach Abpfiff rastete Weber noch mal aus und zertrat eine TV-Kamera und wollte sich mit jedem, der ihm in die Quere kam prügeln. Nur Kuno fand offenbar den richtigen Ansatz für den Tollwütigen. Nach kurzer Umarmung war der Frankfurter ganz ruhig. Meister wurden damals die Stuttgarter, so dass unser Sieg weder uns, noch mir, noch meinem Kumpel Günter Kutowski, der damals mit seinem BVB um die Schale kickte, half. All diese Erinnerungen besprachen wir in fröhlicher Runde am Nachmittag vor unserem Pokalspiel in der "Bemblstub" in Mainhattan. Ehrlich gesagt, hatten wir alle der flüssigen hessischen Apfelspezialität zu kräftig zugesprochen um das Spiel im Stadion anzuschauen. Und so sahen wir im Fernsehen eine erbärmliche erste Halbzeit unserer Jungs, in der ich wegdöste. In meinem Traum erschien mir der Kern unseres Stürmerproblems, das mir schon länger ein Dorn im Auge war. Oh Gott, ich träumte, Kern säße zwischen JBK und Kahnzilla, und diese beiden teutonischen Urgewalten versuchten, dem armen Enrico seine Selbstzweifel im Strafraum zu nehmen. Dass Kahn in diesem Traum die Rolle des good Cops übernahm und den Enrico milde lächelnd aufforderte, er solle "Nie aufgeben und immer weitermachen", rüttelte mich derart auf, dass ich wach wurde und gerade noch bemerkte, dass unser Ex-Kapitän mit einem brillianten Tor das selbige für den Einzug in die dritte Runde aufstieß.
Auf der Rückfahrt aus Frankfurt träumte ich, dass wir in der nächsten Runde Carl Zeiss Jena zugelost bekommen. Als ich dem geizigen Dirk von meinem Traum erzählte, vergaß mich die Truppe auf dem nächsten Rastplatz. Also auf diesem Wege, es wäre nett, wenn mich mal jemand hier abholen könnte, der Platz gehört...Ralf Weber, und der ist immer noch etwas sauer wegen damals!