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Bühne

Was will diese Stadt?

Was will diese Stadt?

Jul 15

Das Schauwerk schließt. Eigentlich soll man ja gehen, wenn es am schönsten ist. Beim Schauwerk jedoch sollte eigentlich vieles noch schöner werden, in der Spielzeit 2015/16. Nun muss der Verbund von Kulturschaffenden um HMT und Theatergruppe "Freigeister", der das ehemalige Theater am Stadthafen seit einem Jahr zu einem bunten und kulturvollen Ort machte, überraschend aus der Spielstätte ausziehen. 0381 lässt Christof Lange zu Wort kommen, der über mehr als 12 Monate so etwas wie die Seele jenes Ortes war, an dem experimentelles Theater, Tanz, Ausstellungen, Jammen im Foyer und Improtheater immer mehr Rostocker begeisterten.

Meine Damen,
meine Herren,
werte regelmäßige Zuschauer des Schauwerks,
werte Zuschauer, die zum ersten und letzten Mal hier sind,
liebe Freunde der Kultur,
liebe Pseudofreunde der Kultur, die aus Schuldgefühlen gekommen sind,
liebe Angehörige der Pseudofreunde der Kultur, die mitgeschleppt wurden,
liebste HMT Studierende,
meine allerliebsten Freigeister,


ich darf Ihnen gratulieren. Sie fördern und fordern mit Ihrer Anwesenheit ein Weltkulturerbe. Offensichtlich nicht materiell, aber zumindest immateriell. Sie sind Teil der möglichen Lösung eines nationalen, regionalen und städtischen Kulturproblems. Eine Lösung, die für das 'Schauwerk' aber leider zu spät kommt.
Vor einem Jahr, bei der Eröffnung der Spielstätte, habe ich noch deutlich freudigere Töne angeschlagen; dem notwendigen Idealismus der ersten Stunde sei Dank. Doch auch damals gab es laute Gegenstimmen: "Das wird doch sowieso nichts." oder "Ihr bleibt bestenfalls drei Monate da drin und dann schmeißt man euch wieder raus." Gegenstimmen, nicht von kulturdesinteressierten Leuten der Wirtschaft oder Politik, sondern der Kultur selbst. Sowohl freie als auch subventionierte Träger, die nach dem jahrelangen Kampf um Selbsterhalt und Fördermittel kein Verständnis mehr für neue Nutzungsideen und Innovation hatten; die sich haben anstecken lassen von der Ökonomisierung der Kultur.
Natürlich kostet Kultur. Aber vor allem zahlt sie sich aus. Nicht mit  schwarzen Zahlen auf weißem Papier, sondern mit Inhalten. Mit Geschichten, die das Leben schreiben. Geschrieben von Menschen für Menschen. Mit Komödien und Tragödien. Mit Lacher und Tränen. Gespickt mit Erinnerungen, Gesprächen, Erfahrungen und einer Menge Fantasie. In letzter Zeit hat sich die Kultur in dieser Stadt aber nur noch über Zahlen definiert und definieren lassen. Nicht die Inszenierungen, Interpretationen oder Ausstellungen standen im Fokus, sondern die Einnahmen und Besucherzahlen. Doch wie genau lassen sich Fantasie und Erinnerungen beziffern? Was ist das Lesen eines guten Buches wert? Was die Videoaufnahme des Hochzeitstages? Oder die kunterbunte Zeichnung, die am Kühlschrank hängt? Was ist es wert, wenn sich das eigene Kind zum ersten Mal auf einer richtigen Theaterbühne präsentieren darf und nicht beim nächstbesten Stadtteilfest auftreten muss? Es fällt mir schwer zu verstehen, wie in krisengebeutelten Ländern wie Russland und Griechenland neue Theaterkulturen entstehen können, während sich das Land der Dichter und Denker selbst abschafft.
Ist es der Wohlstand, der uns den Nutzen der Kultur vergessen lässt? Oder sind es vielleicht auch die Formate, die sich mehr und mehr vom Publikum entfernen? Fürchtet sich die Theaterkultur womöglich davor, den Durchschnittsdeutschen zu fragen, ob das Theater tot ist? Oder dank Subventionen an lebenserhaltenden Maßnahmen hängt? Oder gar langsam und leise Suizid begeht – und für die eigene Tat dem Zuschauer die Schuld gibt?
Schließlich fällt es leichter, mit dem fehlerlosen Finger auf das passive Publikum zu zeigen. Muss man sie oder ihn ja mit Freikarten locken, eine Premiere nach der anderen präsentieren und ein üppiges Abendessen im Anschluss anbieten – und trotzdem an den Haaren ins Theatergebäude zerren. Nicht so wie zu Pertens Zeiten, als man noch – früher war nun einmal alles besser – mit Freikarten lockte, eine Premiere nach der anderen präsentierte und ein üppiges Abendessen im Anschluss anbot. Sollte man also tatsächlich diesen Durchschnittsdeutschen gefragt haben, ob das Theater für sie oder ihn tot sei, und dies mit einem 'Nein' beantwortet werden würde, bliebe immer noch der Zuschauer, dessen Ambition nach wie vor größer ist als die tatsächliche Umsetzung des Vorhabens, regelmäßiger ins Theater zu gehen.
Und während Zuschauer und Kulturträger gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigen, grinst, feiert und freut sich der gemeine Politiker. Und sollte es doch mal jemand wagen, ihn zu beschuldigen, argumentiert dieser mit der immer leeren werdenden Haushaltskasse. Der Protest nach oben – in Richtung Land oder gar Staat – wird gar nicht erst versucht, genauso wenig Alternativen gesucht oder ernstzunehmende Gespräche ersucht. Und so müssen sich die kleinen provinziellen Kulturträger für ein paar Kröten mehr im Monat gegenseitig zerfleischen. Und noch schlimmer – sie lassen es mit sich machen. Anstatt ein starkes Kollektiv der Kultur zu bilden, wird hier missachtet und verachtet; während das Abziehbild eines Lokalpolitikers vom Rathaus aus zusieht. Lasst die Hungerspiele beginnen!
Und nach all diesen Zwistigkeiten und Auseinandersetzungen bleibt wenig vom Idealismus der ersten Stunde. Ich habe zig Termine wahrgenommen, war bei jeder Veranstaltung anwesend, habe als Erster die Tür geöffnet und am Abend als Letzter geschlossen, habe Überweisungen getätigt und Abrechnungen erstellt, ich habe Programmhefte und Plakate illustriert, musste mich von Neidern beschimpfen lassen und oft die Klappe halten um nicht missverstanden zu werden, habe das private 'Ich' hinten an gestellt und meinem kleinen Neffen mehr als einmal sagen müssen, dass "Onkel Christof nun leider arbeiten muss". Und bei so viel Ehrenamt, kommt man nicht umhin, sich zu fragen, wie viel mehr diese Stadt von einem erwartet? Doch viele Menschen waren Bestandteil des 'Schauwerks' und noch viel mehr sollten es werden. Sie alle zeigten im vergangenen Jahr, dass ein 'Wir' in Rostock möglich ist. Doch am Meisten unterstützten mich die hilfsbereitesten, liebevollsten, kreativsten, schönsten und wunderbarsten jungen Leute, die ich nicht nur Kollegen sondern auch Freunde nennen darf. Es wäre verständlich, wenn sich die 'Freigeister' nach diesem Jahr auflösen würden. Wie so viele vor ihnen. Doch die 'Freigeister' werden weiterhin durch Rostock schwirren, und dies lauter und selbstbewusster als je zuvor.
Dahingegen, das 'Schauwerk' ist nun weg. Was bleibt, sind die Fragen nach den Schuldigen. Und die lassen sich nicht einfach mit 'Mephisto' oder 'Scarpia' beantworten, denn die Komödien und Tragödien abseits der Bühne sind deutlich dreidimensionaler. Egal ob Kulturträger, Politiker und/oder Zuschauer – jeder ist Bestandteil des Problems und Bestandteil der Lösung. Denn was noch bleibt nach der Schließung des Gebäudes, sind die Chancen. Womöglich war es zu früh für die Idee 'Schauwerk'. Wahrscheinlich war das kulturelle Fundament, auf dem es stand, noch zu wacklig, um weiter gebaut zu werden. Vermutlich noch zu modern und daher schwer zu verstehen. Doch wenn wir gemeinsam neue Grundsteine für die Kultur bauen und diese Stadt es will, kehrt möglicherweise das 'Schauwerk' eines Tages zurück.

CHRISTOF LANGE


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