Brennpunkt Spielplatz
"Bielplatz Bielplatz!" Die Kinder sind sich wieder mal einig. Es ist Samstag Vormittag und wir gehen zum (Trommelwirbel) Spielplatz. Dort hin, wo Liebe und Hass nur einen Steinwurf voneinander entfernt sind. Dort hin, wo aus Unbekannten Freunde und aus Freunden Feinde werden. Real talk. Kinder lieben Spielplätze. Das war schon immer so. Ich kann mich erinnern, dass wir früher den ganzen Tag bei uns in Warnemünde auf dem Spielplatz rumgehangen haben. Und wir hatten da nicht mal viele Geräte. Nur eine Rutsche und einen Bolzplatz. Das war's. Jedenfalls bin ich mit meinen beiden Töchtern, 2 und 5 Jahre alt, auf dem Weg zu einem dieser neumodischen Schickimicki-Spielplätze. Da wir bereits sämtliche Playgrounds der Stadt ausgecheckt haben, gibt es diverse Favoriten. Meistens läuft es auf die größeren Plätze hinaus, da man dort einfach "mehr machen kann." Aus Sicht der Kinder verständlich. Aus Sicht der Eltern oft der reine Horror.
Angekommen am größten Platz der Innenstadt reißen sich meine Kinder von mir los wie wilde Hunde von der Kette und rennen in verschiedene Richtungen. Es ist wieder richtig was los hier heute. Und es ist verdammt laut. Gegen diesen Geräuschepegel ist jede Baustelle ein Wellnessresort. Während ich versuche, meine Mädels zwischen lachenden, streitenden und schnotternasigen Kindern zu lokalisieren werde ich bereits skeptisch von den anwesenden Müttern gemustert. Erfreut identifiziere ich einige Väter, die sich am Rand die begehrte Plätze auf einer Bank gesichert haben. Ein Kind rennt heulend zum Vater, der am iPhone rumspielt. "Papa, Papa!" Er: "Siehst du nicht, dass ich gerade telefoniere." Die Nerven liegen blank.
Da entdecke ich das große Tochterkind, das gerade von einem kleinen, dicken Jungen geschubst wird. Kurz bevor ich intervenieren kann, sehe ich, wie Töchterchen zurückschubst. Richtig so, denke ich. Lass dir diese Schweinerei von Mopsi nicht gefallen. Der Spielplatz - die Schule des Lebens. Aber wo steckt eigentlich K2? Ich kämpfe mich durch`s wilde Treiben und höre von Weitem ein freudiges "Papiiiiiii, guck mal, hier oben." Mein Blick wandert entlang der EU-geprüften, aber trotzdem scheisshohen Kletteranlage. Da erkenne ich Töchterchen, wie sie ganz allein oben am Geländer steht - ohne sich festzuhalten. In bester Stallone-Cliffhanger-Manier klettere ich zu ihr hoch und kann sie Gott sei Dank in meine Arme schließen. "Na Papi, auch da?" ruft Mäuschen und kichert, so als ob sie mich nur nach oben locken wollte. Mein Hemd ist also dezent angeschwitzt, als ich einen Stock abbekomme. Ein anderer kleiner Junge will offensichtlich "mit mir spielen", weil Mama oder Papa sich auf der Bank den Arsch breit sitzen. Aber nicht mit mir. Ich erhebe die geballte Faust und rufe dem Jungen entgegen: "Dich krieg' ich!" Das hat gesessen. Er zieht Leine.
Mit einem über Monate perfektionierten Hundeblick zwingt mich Töchterchen nun, mir ihr zu rutschen. Unten angekommen treffe ich einen alten Bekannten, den ich seit dem Abi nicht mehr gesehen habe. "Na, auch Vadder?" höre ich und nicke instinktiv. Ich bin jetzt allerdings nicht zu langen Schnackereien aufgelegt, sondern will langsam aber sicher die Kinder einfangen. Da ich gar nicht erst auf Verständnis der Lütten hoffe spreche ich gleich ein Machtwort. "Kinder, wir gehen!" Aus dem Stand bekommen beide einen Weinkrampf der Stärke 9 auf der Richterskala. Völlig am Ende greife ich mir die Hände der Mädels und verlasse das Gelände. Als ich noch einmal zurück blicke, um eventuell liegen gebliebenes Buddel-Besteck zu sichten, ernte ich einige Blicke der anwesenden Mütter, die ich irgendwo zwischen Bewunderung und Mitleid einordne. Nun aber ab nach Hause. Mein Akku ist bei 3 Prozent – und ich meine nicht mein Handy.
Der Autor
Gabriel Rath schreibt hier über sein Leben als Daddy. Der Rostocker, der
unter anderem als Rapper Gabreal unterwegs ist, hat zwei Töchter und
ist glücklich verheiratet. Auf seiner Website www.gabrielrath.com bloggt er über Social Media, Musik und sein Leben als Daddy.