RONNY GERNHART
RONNY GERNHARTS VIERERKETTE
Da waren sie wieder, meine drei Probleme. Und jedes davon hatte mindestens drei weitere Probleme im Gepäck. Es war irgendein verregneter Montagabend und meine Jungs - die Probleme, Sie wissen schon wollten mit mir spielen. Zur überbordenden Begeisterung meiner Gemahlin, die mich gern hat und deshalb ungern teilt.
Nun gut, die beste aller Gattinnen hatte sich schon seit längerem mit meinen Lebensumständen und den damit verbundenen Umständen arrangiert. Doch als der Dicke im Mai mal wieder weder den Klassenerhalt noch sein Wunsch-, ganz zu schweigen von seinem Idealgewicht, erreichte, hatte meine Herzdame von Anfang an angekündigt, dass sie unter gar keinen Umständen jeden Montag Gastgeberin für meine Kollegen sein wollte. Als es also an diesem einen Montag auf acht Uhr zuging, schellte es plötzlich, aber nicht ganz unerwartet. Der nur wenig fragende, aber dafür um so vielsagendere Blick meiner Frau begleitete mich zur Tür, wo Kuno, Kische und Märzer in Begleitung von Biersen und Elektrolyten, die für ein 24-Stunden-Rennen mit anschließender Ironman Hawaii-übertragung gereicht hätten, Einlass begehrten. Diesen konnte ich unter keinen Umständen gewähren, da ich sonst den Fortbestand meiner Ehe aufs Spiel gesetzt hätte. Nun hieß es, so schnell wie möglich einen Plan zu haben. Meine Lady war zufrieden, wenn die Berserker nur nicht unser Haus betraten. Aber in eine Kneipe in Rostock zu gehen, war in dieser Besetzung nicht möglich. Zumindest nicht, seit Dieter Schneider sich vom Lindeneck getrennt hatte oder zutreffender, von seinem Arzt und seinem Kreditsachbearbeiter und seltsamer Einigkeit davon getrennt wurde. Seitdem
ist das Schneiderlein ja Scout beim FCH. Den Job bekam er vom verrückten Professor, dem die Schneidersche Flugangst nicht kontraproduktiv zu seinem Spielerbeobachtungsauftrag vorkam. Schaut man sich die letzten Vereine unserer Neuverpflichtungen mal an, findet man keinen darunter, den der Dieter nicht mit Bus, Bahn oder Fax erreichen konnte.
Also ins Lindeneck ging's nicht, Kröpeliner.T(h) or-Steinar-Vorstadt ging auch nicht. Plötzlich hatte Märzer eine scheinbar brillliante Idee: Warum besuchten wir nicht unseren alten Kameraden Mike "die Frisur" Werner. Der Mike, der seine Karriere einst nach einem üblen Foul an der Dortmunderin Andreas Möller beenden musste, betreute seit einigen Jahren die Thekentruppe des PSV Ribnitz, der seine Heimspiele schon seit Menschengedenken im Estadio Municipal Am Bodden austrug. Sein Domizil hatte Hansas erster Chopperfahrer allerdings nicht in Mecklenburgs Grenzstadt zur benachbarten Gemarkung Vorpommern aufgeschlagen. Graal-Müritz darf mit stolz darauf verweisen, Wohnort unseres gar nicht so alten Abwehrreckens zu sein.
Also enterten wir Kisches Gangsterschlorre (pechschwarze M-Klasse mit Pimp my Ride Felgen) und schossen Richtung Gralle. Vor Mikes Haus angekommen, dass komplett dunkel war, was nicht weiter tragisch gewesen wäre, weil der Mann sowieso die meiste Zeit im Videoraum im Keller oder in der Garage bei seinen Harleys verbrachte. Klingeln, klopfen, Pfeifen und ums Haus pirschen brachten auch nix, außer dass die Nachbarin auf den Plan gerufen wurde. Dieses Modell "Heißer Feger um die 40" lud uns zu sich ein, doch irgendwie erschien mir die Dame merkwürdig. Da sie uns gegen das Versprechen wieder zu kommen und das Hinterlegen eines Pfandes in Form von Kuno verriet, dass unser Freund des öfteren die "Waldperle" frequentiere, machten wir uns auf die Suche nach diesem Etablissement mit vielsagendem Namen. Nun ja, schwer zu finden war die Hütte nun grad nicht.
Wir betraten um neun nach neun den Laden. Großes Hallo allenthalben, schließlich hatten wir uns schon eine Zeitlang nicht gesehen. Die Leute in Mikes Gesellschaft waren nicht so richtig vertrauenseinflößend. Sonnenbrillenträger um 9 Uhr abends. Okay, wir alle wissen: It´s never to dark to be cool, doch diese Burschen waren mir nicht geheuer und der einzige, der sich mit Kampfsport auskannte, war vermutlich grad im Nahkampf mit dieser einen Nachbarin.
Nun, wir verfolgten den Rest des Montagsspiels, das uns eigentlich recht egal war. Nur der Mike und seinen seltsamen Freunde waren auffällig interessiert. Doch während die finsteren Typen immer zufriedener und entspannter wurden, sackte unser Kumpel immer mehr zusammen. Das Spiel lief wohl genau nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Also fragte ich ihn beim Besuch der Porzellanabteilung, was
denn los sei. Hätte ich bloß nicht gefragt! Wie sich herausstellte, wettete Mike auf Fußballergebnisse, allerdings nicht bei Oddset oder so, nein bei Südosteuropäern! Wegen der geilen Quote!
Wir gingen zurück in den Salon, bestellten noch jeder einen 9Springer und durften mit ansehen, wie unser Freund nach Abpfiff jeglichen Anflug von Teint verlor. Die Mafiosi gaben ihm zu verstehen, dass sie nun gerne ihr Geld hätten, welches der Mike natürlich nicht hatte. Auf unsere Frage, ob wir denn aushelfen könnten... Nun ja, wir erhielten Antwort und konnten nicht aushelfen, jedenfalls nicht ohne Hypotheken auf unsere Häuser. Und selbst diese sind ja aktuell auch gar nicht zu bekommen.
Also machte unser Freund das, was alle Spieler machten. Er spielte doppelt oder nichts! Und weil dies den Balkanesen zu einfach war, musste er das Ergebnis des nächsten Heimspiels WÜRFELN! Mike nahm den Becher, schüttelte ihn kräftig und knallte die Würfel auf den Tisch. Ich konnte kaum hinschauen, doch die Reaktionen von Märzer und Kische verhießen nichts Gutes. Ich zwang mich auf die Würfel zu schauen und das Blut gefror in meinen Adern: Eine DREI und eine SECHS! Wir wussten alle, das war´s! Stumm verabschiedeten wir uns von unserem alten Freund, der irgendwie trotzdem noch nicht den Mut verloren zu haben schien. Er lächelte und meinte: "Ich schicke der Mannschaft ´ne Kiste 9Springer. Vielleicht hilft´s ja!?" Wir waren skeptisch und verabredeten, nicht zum Koblenz-Spiel ins Stadion zu gehen. Ob dies ein Fehler sein würde...
Christian Rutzatz
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