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Kultur

Von Raub und Rettung

Mai 09
Noch einen Monat sind im Kulturhistorischen Museum Teile der Sammlung „Meisterwerke der Moderne. Aus den Beständen der 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunst“ zu sehen. Die Ausstellung zeigt nicht nur einmalige und großartige Werke von Künstlern wie Otto Dix und Lyonel Feininger, sondern erzählt eine abenteuerliche Geschichte von Kunstraub, Vernichtung und unfreiwilliger Rettung.


„Gequälte Leinwand – Seelische Verwesung – Krankhafte Phantasten – Geisteskranke Nichtskönner“. So war es auf Plakaten und Handzetteln zu lesen, die 1937 in München verteilt wurden und die Ausstellung „Entartete Kunst“ ankündigten. Es war die erste große Propagandaschau, die das Ziel hatte, unerwünschte und als „undeutsch“ eingestufte Kunst zu diffamieren und als „jüdisch-bolschewistische“ Verfallserscheinung dem Spott der Besucher preiszugeben. Sie sollte den Anfang einer beispiellosen Aktion markieren, in der in den darauf folgenden Wochen und Monaten unzählige Kunstwerke aus sämtlichen öffentlichen Sammlungen Deutschlands entfernt wurden.

Dies geschah auf ausdrücklichen Befehl Hitlers, der bereits 1934 festlegte, welche Werke und Künstler nicht in sein reaktionäres Weltbild und kleinbürgerliches Kunstverständnis passten. Das betraf vor allem die Werke aus der avantgardistischen Moderne. Rigoros wurden Bilder mit einer sogenannten „unnatürlichen Farbpalette“ aussortiert, genauso wie Werke mit angeblich marxistischer Propaganda oder moralischer Dekadenz. Außerdem alle Künstler mit nicht-arischem Hintergrund und politisch unliebsamen Anschauungen.

Klammheimlich verbrannt

Insgesamt waren es über 20.000 Gemälde und Plastiken, die beschlagnahmt wurden. Ursprünglich sollten sie zu Propagandazwecken gezeigt und dann vernichtet werden. Eine öffentliche Verbrennung, wie es der Reichskunstkammerpräsident Adolf Ziegler nach Vorbild der Bücherverbrennung von 1933 wollte, wurde von Joseph Goebbels jedoch verhindert, weil er Proteste befürchtete. Und so versammelte sich nur eine kleine Gruppe von Parteigetreuen, verbrannten unter Ausschluss der Öffentlichkeit über 5.000 Werke und feierten klammheimlich die unwiederbringliche Vernichtung einer Kunstsammlung von unschätzbarem Wert.

Dass nicht alle beschlagnahmten Werke dem Feuer zum Opfer fielen, ist der puren Geldgier geschuldet. Es wurden vier deutsche Kunsthändler mit guten Kontakten zu internationalen Sammlern beauftragt, die „undeutschen“ Werke zu Geld zu machen und gegen Devisen zu verschachern. Einer der Beauftragten war Bernhard Aloysius Böhmer aus Güstrow.

Barlach und Böhmer

Der Kunsthändler Böhmer war eine ambivalente Figur. Er war nicht nur ein äußerst gebildeter Kunstkenner mit besonderer Liebe zur Moderne, sondern hatte auch selbst eine Ausbildung zum Bildhauer hinter sich. Als er um 1924 von Bielefeld nach Güstrow übersiedelte, befreundete er sich mit dem Expressionisten Ernst Barlach. Er half ihm im Atelier, wurde dann sein Privatsekretär, organisierte Ausstellungen und führte Verkaufsverhandlungen für den Künstler. Als er durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda den Auftrag erhielt, Werke der „entarteten Kunst“ zu verkaufen, willigte er ein, wohl wissend, dass sein auch Freund Barlach in eben dieser absurden Kategorie steckte, Ausstellungen verboten und seine Werke entfernt und öffentlich geschmäht wurden.

Böhmer war eine „Mephisto-Gestalt“, wie Dr. Heidrun Lorenzen vom Kulturhistorischen Museum sagt. Ein Kunstliebhaber zwar, der nie Mitglied der NSDAP wurde, sich aber trotzdem leicht von Einfluss und Reichtum verführen ließ. Böhmer war ein Lebemann, unternahm gern ausgedehnte Reisen, mochte Autos und gutes Essen. Dazu brauchte er Geld. Und somit verdrängte er seine Bedenken um die zweifelhaften politischen Verwicklungen, machte sich an den Verkauf der beschlagnahmten Werke und erlangte einen Bekanntheitsgrad, der ihm seinen kostspieligen Lebensstil ermöglichte.

Nutznießer und Retter

Zum Glück, wie man heute sagen muss. Denn obwohl er sich zum Diener eines Systems machte, das seinen Freund Ernst Barlach derart demütigte, kündigte Böhmer die Freundschaft zum Künstler nie auf. Er machte sich seine gut situierte Stellung zunutze, kaufte 1938 mehrere Arbeiten Barlachs aus den Schandausstellungen und und versuchte so, dessen Erbe zu retten.

Als im Frühjahr 1945 die russische Armee vor den Toren Güstrows stand, waren Böhmers Keller gefüllt mit Werken von Barlach, Feininger, Pechstein und anderen modernen Künstlern. Er selbst, sich seiner zwiespältigen Rolle bewusst, wollte nach Schnega in Niedersachsen fliehen. Auto und Anhänger standen gepackt und abfahrbereit vor der Tür. Da wurde ihm mitgeteilt, dass die Elbbrücken nicht mehr passierbar und die Fluchtwege somit blockiert waren. Böhmer wollte nicht auf die russischen Sieger treffen und fällte eine schicksalhafte Entscheidung. Er holte das schon vor Wochen gekaufte Zyankali aus der Tasche und nahm sich zusammen mit seiner Frau Hella das Leben.  

Zum Erben wurde Böhmers Sohn Peter bestimmt. Der war zum Zeitpunkt des Todes seiner Eltern gerade 12 Jahre alt und so wurde seine Tante Wilma Zelck zu seinem Vormund. Sie wusste genau um den Wert der nun quasi herrenlos gewordenen Kunstsammlung des Schwagers. Sie verkaufte einen bis heute nicht zu ermittelnden Teil der Bilder. 1947 wurden dann 34 Ölgemälde, 9 Plastiken und rund 1000 Grafiken konfisziert und dem Museum der Stadt Rostock zur Verwahrung übergeben. Einige Arbeiten, deren Ursprung ermittelt werden konnte, gab man den Museen zurück, so dass nun noch rund 600 Werke aus aus Böhmers Nachlass in Rostock lagern und seit Februar 2009 offiziell der Stadt gehören.

Es ist eine der Paradoxien der damaligen Zeit, dass ein Kunsthändler sein Gewissen für ein bisschen Macht und Reichtum über Bord warf, dafür mit seinem Leben zahlte, aber zum unfreiwilligen Retter einer Sammlung von Kunstwerken wurde, die unschätzbar und in Deutschland heute einmalig ist.




Birke Scheffler

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