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Siegfried Wittenburg

Apr 08
In einem Buch über die Wendezeit sind neben Zitaten von Günter Grass seine Bilder zu finden. Zu seinen Ausstellungseröffnungen kommt Joachim Gauck, erster Leiter der Behörde für Stasi-Unterlagen (Gauck-Behörde). Für ein Foto des Warnemünder Leuchtturms wartete er zwei Stunden in Regen und Kälte, bis das Wahrzeichen schließlich von einer gewaltigen Welle erfasst wurde. Später konnte man diese Bilder weltweit als Poster erwerben.
 
Die Rede ist von Siegfried Wittenburg. Vor 31 Jahren kaufte sich der Rostocker seine erste Spiegelreflexkamera. Zunächst fotografierte er nur zum privaten Gebrauch. Doch dabei blieb es nicht. Täglich ging der ausgebildete Funkmechaniker auf seinem Weg zur Werft am betrieblichen Fotoclub „Konkret“ vorbei. Bald konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen und trat dem Zirkel bei. Als der Leiter des Fotoclubs 1981 Bilder für eine Bezirksfotoschau suchte, fotografierte der damals 29-Jährige sein unmittelbares Wohnumfeld. Die Bilder in schwarz-weiß mit Sepia-Effekt sind ein Spiegel der damaligen Trostlosigkeit. Eines zeigt moddrige Innenhöfe, umgeben von tristen Neubaublöcken, ein anderes Kinder, die in dreckigen Schlammpfützen spielen. Auf einem dritten sind völlig überfüllte Papiercontainer zu sehen. Als Wittenburg zur Ausstellungseröffnung erschien, wurde ihm mitgeteilt, dass zwei seiner Fotos zu negativ seien und aussortiert wurden. Zwischen den Huldigungen an die Republik wirkten jedoch selbst die nicht-zensierten Bilder wie Fremdkörper. „Ich machte mir damit einige sofort zu Feinden, andere aber ebenso zu Freunden“, sagt der 55-Jährige heute mit einem Lächeln. Seine Kunst polarisierte, und machte die Staatssicherheit auf ihn aufmerksam.

Ein Jahr später übernahm Wittenburg die Leitung des Fotozirkels. Er führte diesen bis zu seiner Auflösung nach der Wende. Zeitweise hatte der Fotoclub 20 Mitglieder, von denen einige wie Wittenburg den Sprung zum Profi-Fotografen geschafft haben. Durch diverse Ausstellungsbeteiligungen wurde der Zirkel überregional bekannt. Im Rahmen einer Werkschau bei den Arbeiterfestspielen bekam er sogar Goldmedaille und Orden überreicht. Wittenburg stand diesen Auszeichnungen, waren sie doch eine Art „staatlicher Segen“, misstrauisch gegenüber.

1986 geriet der Rostocker abermals in Konflikt mit dem Staatsapparat. Kurz bevor seine Bilder für eine Ausstellung nach Polen gebracht werden sollten, beschloss ein Parteifunktionär, zwei der Fotos auszusortieren. Die beiden Aktbilder waren nach Ansicht der von der SED geführten BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung) nicht geeignet, im vom Krieg erschütterten Polen für die DDR als sozialistisches Vorbild zu werben. „Die Zensur zu akzeptieren, wäre einem Selbstverrat gleichgekommen. Es waren die beiden besten Bilder.“ Wittenburg verweigerte sich der Anordnung und boykottierte die Ausstellung. Um Gerüchte zu vermeiden und den „grauen Männern“ zuvorzukommen, schilderte er der BGL die Situation in einem Brief. Einen Tag später wurde er zum Kulturhausleiter gebeten, der ihm Hausverbot erteilte und ihn seiner Funktion als Zirkelleiter entband. „Ich habe großen politischen Schaden angerichtet, so der Vorwurf“, erzählt der Mann mit dem gepflegten Bart. In den darauffolgenden neun Monaten erklärte sich von den übrigen Zirkelmitgliedern aus Solidarität niemand bereit, die Leitung zu übernehmen. Aufgrund des Bekanntheitsgrades des Fotoclubs gaben die Funktionäre schließlich nach. Sowohl der BGL-Vizevorsitzende als auch der Kulturhausleiter wurden versetzt und Wittenburg übernahm wieder die Leitung des Zirkels.

Mit einer Fotoserie über Warnemünde schaffte Wittenburg 1988 die Kandidatur für den Verband Bildender Künstler (VBK). Auf einem der Bilder blicken mehrere Menschen sehnsuchtsvoll aufs Wasser, in Richtung Dänemark. Auch bei der Auswahlkommission, bestehend aus Elite-Fotografen, lösten diese Szenen Erinnerungen aus. Zum Meer gehörte neben Patrouillenbooten und Grenzsoldaten schließlich ebenso das Gefühl von grenzenloser Freiheit. „Es war erstaunlich. Sie hatten genau das heraus gelesen, was ich selbst in die Fotos hineingesteckt hatte“, meint Wittenburg dazu. Für eine zweite Präsentation vor dem VBK fotografierte der Rostocker seine Altstadt. Während die Kröpeliner Straße schon damals recht ansehnlich gewesen sei, musste man sich nur etwas Abseits begeben, um das andere Gesicht der Stadt kennen zu lernen. „Die Schicksale der Menschen sind an den Häuser abzulesen. Eines der verfallenen Gebäude“, erinnert sich Wittenburg, „gehörte einer Familie, deren Ausreiseantrag abgelehnt wurde. In der Folge bekamen sie kein Material zur Instandhaltung ihres Hauses, auch die Heizung funktionierte bald nicht mehr. Die Familie zog aus, wenig später auch die Bewohner der Nachbarhäuser.“ Viele haben solche Zustände einfach ignoriert, haben sich in ihren Alltag geflüchtet, während der Fotograf sein Umfeld mit der Kamera verewigte. Nicht als Wertanlage, wie er heute sagt, sondern aus dem Gefühl heraus: Das ist so irre, das musst du festhalten.

Seit seiner ersten Auffälligkeit versuchten die Behörden, Wittenburg als Staatsfeind zu entlarven. „Meine dicke Akte belegt, dass sämtliche Post abgefangen, dass generalstabsmäßig nach Beweisen gegen mich gesucht wurde.“ Auch jemand aus seinem engeren Bekanntenkreis gehörte zu den Informanten. Zum Glück für Wittenburg blieb der Spitzel ehrlich und berichtete, dass „S.W.“ kein Staatsfeind sei, sondern sich lediglich gegen Bevormundung und Zensur einsetze. Über diese realistische Einschätzung ist Wittenburg heute sehr froh. „Er war das Zünglein an der Waage, wodurch mir sehr Unangenehmes erspart blieb.“ Nachdem die Stasi nichts gefunden hatte, wurden Pläne geschmiedet, ihn umgekehrt als Informanten zu werben. Er hätte den Vorschlag abgelehnt, doch dazu kam er nicht mehr.

Der Mauerfall stürzte die deutsche Diktatur und Wittenburg wurde arbeitslos. Er nahm eine Stelle im Außendienst eines Kameraherstellers an. Nach fünf Jahren hatte er genug vom rastlosen Leben. „Ich war so viel unterwegs, dass ich keine Zeit hatte, auf Veränderungen zu blicken. Das störte mich.“ Also richtete Wittenburg in Warnemünde eine Galerie mit Fotostudio ein. Er arbeitete als Auftragsfotograf, gründete eine eigene Werbeagentur und vertrieb Postkarten mit ironischen DDR-Motiven. Heute arbeitet er wieder allein. Neben dem historischen Blick auf die DDR hat Wittenburg inzwischen zwei weitere Steckenpferde – schöne Ansichten von Mecklenburg-Vorpommern und die Hanse. Für letzteres Projekt reiste er einmal entlang der Ostsee durch halb Europa. Seine Arbeiten werden bald in einer Publikation mit dem renommierten Hanse-Historiker Dr. Rolf Hammel-Kiesow zu sehen sein. Obwohl er seine Energien zunehmend überregional und international verbraucht, wird Rostock immer sein Lebensmittelpunkt bleiben. „Ich bin in Warnemünde geboren, in Hohe Düne aufgewachsen, habe hier meine beruflichen und privaten Kontakte. Ich mag die gute Luft und die Nähe zur Ostsee. Auch wenn es keine Großstadt ist, den nötigen geistigen Freiraum kann ich mir auch hier schaffen.“ So spricht nur ein echter Rostocker Jung’.
Von ROBERT BERLIN

1 Kommentar zu „Siegfried Wittenburg”


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