Jedes
Jahr im November passiert es. Nur bekleidet mit atmungsaktiven
Schichten aus arktisch getestetem Wind-und Wasserfestem Outdoor
Equipment steppe ich vor meine Tür und: Kälteschock. Und regelmäßig bin
ich durch diesen Augenblick wie traumatisiert, da er mir
unmissverständlich und eindringlich klar macht, dass der Sommer somit
jetzt und absolut unwiederbringlich vorbei ist. Es soll angeblich
Menschen geben, die diesem unausweichlichen Winter-Revival pausenlos
Pluspunkte abgewinnen können, indem sie literweise Weihnachtstee in
sich hinein kippen, während sie abgebrochene Streichhölzer in Kastanien
stopfen und Ketten aus halbverfaultem Laub ins Fenster hängen. Falls
dann zufällig doch mal die Sonne für zehn Millisekunden rauskommt,
müssen alle gleich mit ihren trendy Nordic-Walking-Stöckern angeben und
über den Strand schwofen, um den goldenen Herbst zu suchen, während ich
am Wasser stehe und den Horizont nach irgendwelchen Silberstreifen
absuche. Vergeblich natürlich. Dabei hatte alles so gut begonnen. War
doch mein Plan für 2006, solange an den Stränden zwischen Warnemünde,
Salzhaff, Darß und Rügen abzuhängen bis ich es mental und geistig auch
mal auf die Reihe kriegen würde, meine Sommerferien wenigstens einmal
im Leben woanders als am Meer zu verbringen. Theoretisch zumindest. Ich
dachte, dass wenn ich jeden Tag im Meer bade, jede Windböe zum surfen
ausnutze, jeden Sonnenuntergang fotografiere und bis zur
Fleischallergie grillen würde, käme irgendwann der Moment, an dem ich
mich einmal am Strand langweilen könnte. Denn dann wäre ich endlich
bereit gewesen, in ein halbwegs normales Stadt-Leben zurück zu kehren,
anstatt mindestens dreimal täglich die Windvorhersagen im Web zu
checken, sich in der Zwischenzeit den Sand aus den Zehen zu puhlen und
dabei pausenlos einzureden all die Lagerfeuer-Sessions beim
Wellenrauschen und den Geruch nach Sunblocker auf salziger Haut nicht
zu vermissen. Obwohl mir gefühlte Millionen Mücken meinen Sonnenbrand
zerstochen haben und ich alle hässlichen Dialekte der Wirtschaftsmacht
„Touris" mittlerweile im Schlaf verarschen könnte, obwohl ich alle
Fischbrötchen-Kombos zehnmal gegessen und mindestens jeden Stein
zwischen Hohe Düne und Stolteraa ins Wasser geschmissen habe, hat mein
Plan mir einen vernünftigen Strandoverkill abzuholen, nicht
funktioniert. So werde ich also auch weiterhin am Ufer auf Sturm warten
und surfen bis Hände und Füße vor Kälte taub sind. Mein einziger Trost
sind all die anderen Beach-Junkies, denen es genauso geht und mein
Billigflugticket nach Tarifa.
Aloha, Pyranja