Was haben Katinka Friese, Programmleiterin des Literaturhauses, und die Leiterin des Lichtspieltheater Wundervoll (kurz LiWu), Anne Kellner, gemeinsam? Sie ziehen beide ihre Kraft aus der Kultur und dem Wechselspiel zwischen dargebotener Kunst und der Resonanz des Publikums. Ein Unterschied: Das Literaturhaus Rostock ist bereits in das Peter-Weiss-Haus umgezogen. Emigriert das LiWu nun auch in das Kulturhaus auf der Doberaner Straße?
Passen würde es. Zu Peter Weiss, dem Experimentalfilmer und zum Credo des Hauses "Freie Bildung und Kultur in Rostock". Nun, das hört sich nach Spekulation an, aber es kommt der Umstand dazu, dass der Eigentümer, die Französische Republik, für die Villa in der Stephanstraße einen Käufer gefunden hat. Der ist schon fleißig am begutachten und möchte das Programmkino nicht mehr beherbergen. Das LiWu ist also offiziell heimatlos oder man weiß zumindest, dass es nach einer sechsmonatigen Kündigungsfrist woanders sein wird. Frei nach dem Motto: Ihr müsst nicht nach Hause gehen, aber hier bleiben könnt ihr nicht.
Anne Kellner weiß das natürlich nicht erst seit gestern. Deshalb gibt es schon lange den Plan, in die FRIEDA 23 zu ziehen. Film, Radio, Kunst – die freie Kultur Rostocks ist auch hier zu Hause. Aber seien wir doch mal ehrlich. Momentan ist es weder in den Büros der FRIEDA 23 noch in denen des Peter-Weiss-Hauses richtig tippi-toppi oder warm. Aber es wird. Bauliche Maßnahmen stehen bevor, was toll ist, aber die kosten Zeit und Geld. In der FRIEDA 23 dauert es bis 2012. Solange kann das LiWu nicht warten. Als Leiterin des Hauses betrachtet es Anne Kellner als ihre erste Pflicht, das Haus zu erhalten. Ein Umzug bedeutet auch Verluste bei den Einnahmen.
Besteht in Zeiten des Internets, der Multiplexe und der Stadien überhaupt noch der Bedarf nach Filmen abseits des Mainstreams, nach einem kleinen Kino? "Heute wollen Menschen im Tante-Emma-Laden alles kaufen können", so Frau Kellner. Und weiter: "Ich denke, die riesigen Häuser graben sich gegenseitig das Wasser ab." Vielleicht verschwinden die so schnell wie sie gekommen sind. In der freien Kultur ticken die Uhren anders als in der freien Wirtschaft – da hat der französische Film mit Untertiteln kaum eine Chance.
Die derzeitige Situation gestaltet sich also schwierig und strengt auch Anne Kellner an, aber ihre Belohnung ist der Film. Sie war noch nie zu müde oder geschafft, um sich einen anzuschauen, so der bekennende Tarantinofan. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin und Medienpädagogin mag es nicht, wenn ein Film sie intellektuell unterfordert, obwohl die Unterscheidung zwischen anspruchsvoller und leichter Unterhaltung vielleicht immer ein wenig subjektiv ist.
Nicht subjektiv ist dagegen das Gefälle der Getränkepreise. Im LiWu zahlt man jedenfalls keine zwanzig Euro für Bier und eine Tonne Popcorn. Dem Theater fehlt es im Allgemeinen an Gigantismus, an 3D, an Massenabsatz. Und das ist gut so. Aber auch das LiWu existiert in dieser Welt und der Umzug könnte ein größeres Loch in die Kasse reißen. Man wäre wieder auf eine Hilfe vom Land und der Stadt, in einem Wort: Fehlbedarfsfinanzierung, angewiesen. Wie man von den Zuschüssen so hört, sind die im Haushalt auf eine bestimmte Höhe festgeschrieben. Mehrausgaben sind darin nicht vorgesehen oder müssen extra beantragt werden. Anne Kellner versucht, dem Abschied etwas Positives abzugewinnen und dies an die MitarbeiterInnen weiterzugeben: "Es geht ums Überleben, entweder man tritt die Flucht nach vorn an oder man trocknet aus." Das stimmt.
Dem Literaturhaus hat es auf alle Fälle doppelt so viele Gäste gebracht.
Für Anne Kellner gehören Literatur und Film zusammen. Peter Weiss war Autor und Filmschaffender. Er war in seiner "Heimat Kultur" angekommen. Die Gespräche mit dem Peter-Weiss-Haus sind angelaufen und werden auch weitergeführt.
Ella Schlenz
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