Pyranja Kolumne
März 2010
Mrz 10
Wann hatten Sie das letzte Mal Angst? Und ich meine nicht das bisschen allgemeine Zittern vor der Zukunft – einer Zukunft, die vor allem je älter man ist, immer schneller zum Gestern wird, als das man sich aufs Morgen noch freuen kann. Ich rede viel mehr von elementarer, die Kehle zuschnürender, den Brustkorb beengender, den Schlaf störender und den Appetit verdrängender Panik. Gewisse Ängste sind glücklicherweise angeboren, quasi als evolutionäres Schutzsystem - vor den nicht regulierbaren Umwelteinflüssen in Form von Naturgewalten oder auch Schlangen wahlweise Spinnen. Andere Ängste muss man erst erlernen, als Konsequenz von Erfahrungen mit Überschriften wie: "das Kleinkind und die heiße Herdplatte" oder auch "die Badewanne und der Föhn" und ganz klassisch "der Wurstfinger in der Steckdose". Ist Angst ein Gefühl oder ein Zustand? Oder eher eine selbstgezogene Schmerzgrenze kurz vor der eigenen Unendlichkeit? Wo fängt sie an und wo endet sie? Wenn Mut das Gegenteil von Angst ist und Panik die allgemein anerkannte Steigerungsform – ist Erleichterung dann das Gegenteil? Oder spricht man in diesem Fall eher von Sicherheit? Worin unterscheidet sich die Angst von der Überraschung? Nur durch das Ergebnis? Aber endet im Nachhinein unbegründete Angst zwangsläufig immer in einer Überraschung? Und wenn Ungewissheit der kleine Bruder von Angst ist, muss man dann die übrigen Mitglieder des Familienclans – Oma Phobie, Tante Traumata und den umtriebigen Papa Panik – zwangsweise gleich mit einladen? Wenn man sich vor dem Morgen grundlos fürchten kann, warum kann man sich dann nicht eigentlich auch grundlos drauf freuen? Ist Angst in Wahrheit nur eine andere Form von Aufregung? Und wenn die aufgehende Sonne ein Hoffnungsschimmer ist, versteckt die Angst sich dann nicht zwangsläufig auf der dunklen Seite des Mondes? Sind Furcht und Schrecken nicht ausnahmslos im Schatten zu Hause? Ganze Wirtschaftszweige leben von der Angst an sich, vor allem die Versicherungskonzerne und Anbieter von Rentenprogrammen und Altersvorsorge. Dicht gefolgt natürlich von unzähligen Therapeuten mit unendlichen Methoden, die sich größte Mühe geben, die in die jede Körperzelle geätzte Angst ihrer Patientenflut Schicht um Schicht abzuraspeln. Und auch und vor allem die Medien leben von Angst, denn never forget: nur eine schlechte Nachricht (Katastrophe) ist eine gute Nachricht (Einschaltquoten = Werbeeinahmen). Das – mit Ausnahme der Werbeeinnahmen vielleicht – wußte auch schon Aristoteles, der diesen Satz im Begriff Katharsis zusammenfasste - die seelische Reinigung als Wirkung der antiken Tragödie. Funktioniert heute noch genauso wie vorvorgestern. Man ist ja schließlich froh es nicht so schwer zu haben wie all die anderen, denen es schlechter geht. Ach ja und streicht man die Buchstaben ST am Ende der AngST und ersetzt sie mit der Kombination EL, hat man sofort einen Angel an der Angel – und Schutzengel sind von Haus aus die besten Zuschauer der Tragödien der Herzen, denn sie lachen die Angst einfach aus bis sie sich verschämt und unauffällig verzieht.
Pyranja
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