Mein Block
"Spielt ihr auch 90 Minuten?"
Ja, und der Ball ist nicht kleiner. Warum auch sollte beim Frauenfußball immer noch alles so sein wie vor 40 Jahren? Dieser war bis 1970 vom DFB gänzlich verboten und im Anschluss durften die Frauen dann tatsächlich nur 70 Minuten spielen. Die Bälle waren kleiner und leichter, Stollenschuhe verboten und aufgrund ihrer schwächeren Natur war eine Winterpause von der Dauer eines halben Jahres Vorschrift. Zum Glück ist die Damenwelt nun schon seit 1993 befugt, ganze anderthalb Stunden zu spielen.
Etwas Ironie schwingt immer mit, wenn es um Frauenfußball geht. Wenige Anwohner wissen, dass es überhaupt einige hochklassige Frauenmannschaften in unserer Hansestadt gibt. Dabei spielen in der Verbandsliga MV sogar drei Teams um den möglichen Aufstieg in die Regionalliga Nordost mit. Das Team der RFC-Frauen und SV Hafen I und SV Hafen II. Und dem nicht genug, es gibt sogar ein spannendes Derby, denn SV Hafen I rangiert derzeit auf dem 2. Platz, gefolgt vom Underdog RFC. Und welcher Tag würde sich wohl besser eignen als der hierzulande sogenannte "Herrentag". Damit am Ende die Relegationsspiele der Frauen nicht etwa in die heiß geliebte WM-Phase fallen, musste die Liga herhalten und der RFC hat ein prima Urlaubsprogramm abbekommen. Am Donnerstag das Spiel gegen den Tabellenzweiten und dann am Sonntag fix den Tabellenersten flankiert. Kein Kurzurlaub an Himmelfahrt, der ist wohl für den Spielansetzer reserviert. Die Damen haben Englische Woche. Spannend bleibt bis dahin auch, ob irgendein Männerteam an diesem Tag spielen muss und vielleicht sogar eine Schiedsrichterin pfeift.
Eines ist sicher, den Spaß an ihrem Schlachtruf ("Können wir das schaffen?" "Yo, wir schaffen das!") wird das Frauenteam des RFC auch in diesem Spiel nicht verlieren. Als ganz klarer Favorit startet nämlich das gegnerische Team ins Rennen. Die Statistik spricht Bände: Unter Trainer Robert Fölsch konnte der RFC noch nie gegen Hafen I gewinnen. Das 0381-Magazin sprach mit Kapitänin Dörte Gerloff (27) und Trainer Robert Fölsch (27) über das Derby, den Ballsport an sich und seine angeblich so verschiedenen Spielarten.
0381-MAGAZIN: Warum stellt sich der RFC in diesem Derby immer an, wie der erste Mensch auf dem Mond?
DÖRTE: Weil es kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für uns wäre, mal drei Punkte gegen Hafen zu holen. Da darf man dann auch schon mal aufgeregt sein.
ROBERT: Ich weiß es nicht. Aber Fußball wird eben nicht nur mit den Füßen gespielt, sondern auch mit dem Kopf. Und der war wohl bei einigen in letzter Zeit nicht immer ganz frei.
0381-MAGAZIN: Wieso opfert man sich am Herrentag auf und geht zum Fußball? Ist euch langweilig?
DÖRTE: Ja, wir sind doch Frauen – uns ist immer langweilig. Und was gäbe es da Schöneres, als am Herrentag in einer Männerdomäne zu brandschatzen? Und hinterher dürfen wir uns dann auch an Bier und Bratwurst laben.
ROBERT: Was gibt es Schöneres, als sich vormittags ein spannendes Spiel anzuschauen, um dann danach ein, zwei kühle Bier zu trinken?
0381-MAGAZIN: Was ist euer Wunschergebnis?
DÖRTE: Ein 7:7 wäre großartig! Dann hätten all‘ die ganzen Zuschauer, die am Herrentag natürlich nicht unterwegs sind, sondern am Spielfeldrand stehen, ordentlich was zu gucken und wir am Ende einen Punkt!
ROBERT: Unentschieden.
0381-MAGAZIN: Wieso guckt beim Frauenfußball generell fast keiner zu?
DÖRTE: Weil die Spielerinnenmänner zu Hause auf die Kinder aufpassen müssen und der Haushalt sich ja auch nicht von alleine macht!
ROBERT: Ich denke, das Hauptproblem ist mangelndes Interesse der Medien beginnend bei der Frauenbundesliga. Und das, obwohl die Vereine wahnsinnig erfolgreich regelmäßig auch ganz Europa aufmischen. Bei größerer Präsenz des Frauenfußballs in den Medien, hätten auch kleinere Vereine sicher keine Nachwuchssorgen. Auf ein gesteigertes Medieninteresse folgt eine breitere finanzielle Unterstützung. Zur Zeit kann von den Bundesligistinnen (bis auf ganz wenige Ausnahmen) niemand vom Fußball allein leben. Das heißt, nach einem 8-Stunden-Tag geht es los zum Sport. Umso höher sind deren Leistungen im Vergleich zu den millionenschweren Männern im Profibereich anzusehen. Naja, die Theorie ist wiedermal ganz einfach. Die WM im eigenen Land ist ein Schritt in die richtige Richtung. Leider fehlt dort Rostock auf der Landkarte.
0381-MAGAZIN: Was ist das Wesen von Männer- und Frauenfußball?
DÖRTE: "Wir haben einfach keine Eier!" So sagte es unser Herr Trainer eines Tages. Hin und wieder fehlen eben die nötige Bissigkeit und der unbedingte Wille zum Sieg. Frauen sind wohl schlichtweg zu lieb.
ROBERT: Auf der einen Seite Härte, Technik, Kampf, Geschwindigkeit und Taktik. Und auf der anderen etwas weniger Härte, etwas weniger Technik, etwas weniger Kampf, u.s.w. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
0381-MAGAZIN: Wer wird Meister der Verbandsliga MV in dieser Saison?
DÖRTE: Wenn wir drei Punkte gegen Hafen und Schwerin holen und die beiden gegeneinander unentschieden spielen, kann es nur einen geben: Schwerin!
ROBERT: SV Hafen Rostock.
0381-MAGAZIN: Drei Worte zum Gegner:
DÖRTE: A O E – Rostocker FC!
ROBERT: Nehmen wir vier: taktisch klug, schnell & verbissen.
0381-MAGAZIN: Dein Lieblingsklischee vom Frauenfußball:
DÖRTE: Der Trikotwechsel danach ist das Spannendste.
ROBERT: "Und? Gehst Du auch mit Deinen Mädels duschen?" – "Nur deswegen bin ich da!"
0381-MAGAZIN: Und zum Abschluss …
DÖRTE: Ein Derby am Herrentag ist wie kein Derby am Herrentag – das Bier steht so oder so kalt.
ROBERT: Fußball ist ein schöner Sport und, ja, auch für Frauen. Also liebe Frauen und Mädels – ab in die Vereine! Am Besten natürlich zum RFC. Yoga, Aerobic und Co. kann man dann ab 50 immer noch betreiben!
Anstoß: Herrentag, 13.05.2010, um 11 Uhr,
im Damerower Weg 25
von GESINE SCHUER
(linke Verteidigerin des RFC, schoß in der letzten Begegnung gegen Hafen I ihr erstes Eigentor der Karriere, natürlich)
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