Pyranja Kolumne
Juli 2010
Jul 10
Mir passieren ja immer die merkwürdigsten Dinge. Neulich zum Beispiel ist mal wieder ein lang geträumter Wunsch in Erfüllung gegangen. Hatte ich nämlich jahrelang heimlich andere Rapper um ihre Konzerte und Tourneen auf den unterschiedlichsten Kontinenten schamlos beneidet, saß ich nach einem unerwartetem Anruf und ein bis drei weiteren eMails später plötzlich in einem Flieger Richtung Wüste. Die Tasche voll mit Lichtschutzfaktor hundertausend und einer Menge gutgemeinter Ratschläge, die sich spätestens auf der Landebahn im gleißenden Sand zu einem emotionalen Feuerwerk zwischen vorfreudigem Kribbeln und aufgeregter Erwartungshaltung in meinem Solarplexus breitmachen, um dann nach und nach in der Hitze zu verdunsten. Schließlich waren zwei Konzerte in Kairo und Alexandria geplant und nicht nur die Kopftuchfrage war für mich mich in dieser Hinsicht noch vollkommen ungeklärt – Pass auf dich auf! Trink mindestens Trillionen Liter Wasser! Creme dich ein! Iß nichts von den Garküchen auf der Straße! Bloß keine Eiswürfel! Halt deine Tasche fest! Geh nicht allein vor die Hoteltür! – All diese Endloßechos loopten sich in meinem Kopf, während das undurchsichtige Nilwasser die Gewürzgerüche vom Bazar in den versmokten Himmel reflektierten. Mit dem Taxifahrer wird die WM ausdisskutiert und die Muezzine rufen zum vierten Mal zum Gebet, während sich ein vollbepackter Eselskarren neben Tanklastern in der sechspurigen Rush Hour durchs geordnete Chaos manövriert. Bei fünfundvierzig windstillen Grad im Schatten kühlt der Schal meine Haare, kein Sonnenstrahl verbrennt mein Gesicht und ich kann ungleich bessere Preise im Gewühl der Möglichkeiten aushandeln. Die Gerichte der Imbissbuden zwischen den Minaretten wecken Geschmacksnerven, von deren Existenz ich vorher nichts geahnt hatte. Das warme, freundliche Lächeln und die respektvolle Höflichkeit der Menschen geben mir den Rest, nicht nur auf der Bühne, während mir meine unbewußten Vorurteile ins Gewissen flüstern und nach sofortiger Revidierung schreien. Genauso wenig wie wir täglich in Lederhosen Sauerkraut einatmen, kann man den Alltag im Nahen Osten durch die bloße Berichterstattung westlicher Medien begreifen, geschweige denn nachvollziehen. Und während ich zwischen den Kulturen und Jahrtausenden nach mir selber suche, wird mir im Morgengrauen die Dimension dieses riesigen Erdballs bewußt auf dem uns alle mehr verbindet als trennt. Soviel zumindest steht für mich fest.
Eure Pü
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