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Jo Stock in Rostock: "ICH WILL MIT HANSA EINE GUTE ROLLE SPIELEN"
Sucht man bei Wikipedia nach Jo Stock, wird man unter dem Eintrag "Das Wunder von Bern" fündig. Jo Stock war Toni Turek in Sönke Wortmanns Erfolgsfilm. Heute steht der, laut Herbert Zimmermann, erste "Fußballgott" bei Hansa auf dem Trainingsplatz und an der Seitenlinie. 0381 traf den schauspielernden Torwarttrainer und sprach mit ihm über Traumrollen, Punkrock und ein altes Hansa-Shirt.
0381-MAGAZIN: Herr Stock, Sie waren Toni Turek beim "Wunder von Bern". Heute sind Sie der neue Torwarttrainer beim FC Hansa. Was ist denn nun Ihr Beruf?
Jo Stock (46): Naja, das klassische Berufsdenken hat sich in der jüngeren Vergangenheit grundsätzlich verändert. Ich habe die Schauspielschule besucht, auf der Bühne und vor der Kamera gearbeitet. So wird Beruf auch definiert. Aber ich habe mit 18 dann einen Abstecher zur Musik gemacht, auch in verschiedenen Bands gespielt, habe damit Geld verdient und bin über das Goethe-Institut mit meiner Punkrock-Band bis nach Kathmandu gekommen. Vor ein paar Jahren habe ich entschieden, dass ich als Torwarttrainer arbeiten will und so ist das bis heute.
0381-MAGAZIN: Also ist der Trainerberuf Ihre Berufung.
Stock: Man kann Trainer als Beruf sehen, aber wer diesen Job macht, tut dies immer aus Leidenschaft. Ich habe wie wohl jeder Junge mit dem Fußball angefangen. Fußball war alles für mich; ich hatte keine anderen Interessen. Und obwohl ich gern gespielt habe, wollte ich schon immer Torwarttrainer werden. So habe ich schon in der B-Jugend angefangen, Torhüter zu trainieren. Damals gab es noch kein richtiges Torwarttraining. Toni Schumacher war der erste, der einen eigenen Trainer hatte. Das war Rolf Herings, ein ehemaliger Zehnkämpfer. Sepp Maier hat dann ein Buch über das Spezielle am Torwart-Dasein geschrieben. Erst später haben Ex-Torhüter wie Wolfgang Kleff, Dieter Burdenski und eben Sepp Maier angefangen, speziell als Torwarttrainer zu arbeiten.
0381-MAGAZIN: Was ist denn das Besondere am Torwarttraining?
Stock: Für mich muss der Torhüter in erster Linie Agieren statt Reagieren. Dies bedeutet präventiv zu arbeiten, die Defensive so zu organisieren, dass man Situationen durch rechtzeitiges Herauskommen klärt, bevor eine Glanzparade notwendig wird. Ein Torhüter soll seine Mannschaft in Ballbesitz bringen. Ich habe die Aktionen aller Torhüter der 3. Liga und in der Regionalliga analysiert. Dabei habe ich festgestellt, dass 75 Prozent der Aufgaben der Torhüter mit dem Fuß gelöst werden. Darauf muss der Keeper und sein Training eingestellt sein. Das Anforderungsprofil hat sich im Vergleich zu vor 20 Jahren akut gewandelt. Heute muss der Torhüter als elfter Feldspieler einsetzbar sein.
0381-MAGAZIN: Und wie wollen Sie Jörg Hahnel und seine Kollegen verbessern?
Stock: Das werde ich mit Jockel und den anderen Jungs intern besprechen.
0381-MAGAZIN: Wie lief das eigentlich, dass Sie zu Hansa gekommen sind?
Stock: Ich war ja wie der Vorstandschef Bernd Hofmann bis Ende 2009 beim 1. FC Magdeburg. Wir hatten den Kontakt nicht abreißen lassen. Als zum Ende der letzten Saison klar wurde, dass Marco Kostmann nicht weitermachen würde, rief mich Bernd Hofmann und so wurde ich dann kurz vorm Saisonauftakt verpflichtet. Charmanterweise ging so für mich ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung.
0381-MAGAZIN: Inwiefern dies? Schließlich stand man hier schon sportlich und wirtschaftlich erheblich besser da.
Stock: Ich habe auch den Fußball in der DDR beobachtet und da hat mich Hansa interessiert, weil der Verein offenbar nicht zu den protegierten Clubs gehörte und deshalb nie ganz große Erfolge hatte. Dass diese möglich waren, hat man gesehen, als die Wende kam und man hier Meister und Pokalsieger wurde. Sympathien für Hansa habe ich dann entwickelt, als man hier mit 10:0 Punkten in die erste Liga startete und ich gerade mit meiner damaligen Freundin in Mecklenburg mit dem Rad unterwegs war. Seitdem ist mir Hansa ans Herz gewachsen. Ich habe auch schon seit vielen Jahren ein Hansa-Shirt, mit dem ich oft bei Freizeitspielen aufgelaufen bin. Das kam bei einigen Freunden, die mit St. Pauli sympathisieren, nicht so gut an. Da musste ich mir schon mal Sprüche anhören. Später, als ich mir nach dem "Wunder von Bern" vornahm, meine Laufbahn als Torwarttrainer weiterzuführen, habe ich mir einen Plan gemacht, dass ich binnen sieben Jahren in der 3. Liga arbeiten möchte. Dass es nun mit einem Engagement bei Hansa geklappt hat, freut mich natürlich. Nun müssen wir nur noch Erfolg haben. Daran arbeiten wir jetzt als Trainerteam und Mannschaft.
0381-MAGAZIN: Sie sprechen "Das Wunder von Bern" an, wo Sie Toni Turek spielten. Wie war es, einen Torhüter zu spielen?
Stock: Es war schon hart, binnen der ersten acht Minuten im Finale zwei Tore zu kassieren und dabei nicht unbedingt gut auszusehen. Die Tore haben wir anhand der Originalsituationen nachgestellt. Ich erinnere mich, dass ich unbedingt immer fausten und spektakulär abrollen sollte, was so gar nicht meiner eigenen Philosophie entspricht. Da war ich schon ein wenig in meiner Ehre gekränkt. Sonst war dieser Film natürlich eine Wahnsinnssache. Ich konnte dabei meine beiden Leidenschaften verbinden. Und Toni Turek zu spielen, war für mich natürlich geil.
0381-MAGAZIN:Und was passiert, wenn Ihnen heute Rollen angeboten werden?
Stock: Ich bin jetzt bei Hansa Rostock und möchte mit dem Verein Erfolg haben. Mein Vertrag läuft ein Jahr und ich könnte mir vorstellen, länger zu bleiben, da Erfolg immer mit kontinuierlicher Arbeit zusammenhängt. Ich arbeite nachhaltig, kann aber nicht alles beeinflussen. Wenn mir eine Rolle angeboten wird, schaue ich sie mir natürlich an, aber Fußball und Hansa haben für mich Priorität. An eine Traumrolle verschwende ich keinen Gedanken. Ich will mit Hansa eine gute Rolle in der Liga spielen.
CHRISTIAN RUTSATZ
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