Am ersten Tag wirkt der Zauber fast immer. Doch spätestens nach einer halben Woche relativiert sich die Stille des ersten unschuldigen Glitzerns zwischen Streusand und gelb gefrorenen Landmarken. Die vorgegaukelte Aufgeräumtheit und gedämpften Geräusche der ersten Stunden verlieren sich mit jedem Stiefelknirschen in der tiefen Unberührtheit. Spuren im Schnee lassen sich nicht verwischen, die Urform der Unschuld ist unfakebar. Doch die Faszination schmilzt mit sinkenden Temperaturen und die Sehnsucht nach Plusgraden wächst analog zum Füllstand des Frostschutzmittels in der Scheibenwaschanlage. Und während man unfreiwillig um die matschgrauen Kurven driftet, fühlt man sich ein bisschen wie früher mit dem alten, halbrostigen Holzschlitten unterm Hintern – nur dass der jetzt um einiges größer und sogar motorisiert ist, dafür aber die eigene Schmerzgrenze mit voranschreitenden Jahren immer schneller von selbst erreicht. Nur weil der Winter mal ausnahmsweise macht, wofür man ihn kennt, hat man noch lange keinen Beweis für den allseits heraufbeschworenen Klimakollaps. Und was in der Literatur oft wahnsinnig romantisch und in Filmen wehmütig schmachtend verpackt wird, schippen wir traditionell schlechtgelaunt an den Straßenrand und beschmutzen die gefallenen Kristalle zur Sicherheit noch mit Dreck. Klar sind Palmen am Meer und konstante Sonnenbrandgefahr im Januar eine enorme Verlockung gerade für uns Mitteleuropäer – dennoch schubsen uns die unterschiedlichen Vibes der einzelnen Jahreszeiten gewohnheitsmäßig galant durch die einzelnen Monate, jede mit ihren eigenen Regeln und Vorsätzen. Während man sich im Sommer oft fast schon halbherzig von Grillparty zu Outdoorevent selbst verheizt, darf man die ersten Wochen eines neuen Jahres dafür gesellschaftlich akzeptiert zu Hause verpassen, während man in der durchmilbten Kuscheldecke vor dem Bollern der Fernheizung sitzt und sich seine DVD-Sammlung zum zehnten Mal rückwärts und in Zeitlupe gibt. Dabei sollte man seine neuen Adventspfunde noch ein bisschen mit Lebkuchenkalorien pflegen, bevor in ein paar Wochen schon wieder verdünnende Frischzellenfrühjahrspflichtentschlackungsrituale durch die Massenmedien geistern, die einen, vielleicht gut gemeint, trotzdem leider zwangsbeknackt auf Bikinis und die dazugehörige Saison vorbereiten sollen. Doch bis dahin erzählt mir mein persönlicher Balkonschneemann noch ein paar Geschichten aus dem Himmel, immerhin ist er schließlich aus den Wolken gefallen.
Eure Pü