Sport
Matthias Holst: Hansa, die Zweite
Forschen Schrittes kommt ein bärtiger junger Mann aus den Katakomben der DKB-Arena. Kein Hinken, kein augenscheinliches Anzeichen für eine Verletzung. Und doch treffen wir heute einen Spieler, der seit seiner Verpflichtung im letzten Sommer, noch nicht einmal für Hansa gegen den Ball getreten hat. Die Rede ist von Matthias Holst, jenem Defensivrecken, der als einer der ersten Spieler von Manager Stefan Beinlich verpflichtet wurde.
"Die ersten Gespräche über einen Wechsel zu Hansa habe ich noch mit den Trainern Kostmann und Finck geführt. Doch geholt hat mich dann Stefan Beinlich."
Selbstverständlich erinnert sich Matthias Holst noch sehr gut an diese Tage im Mai 2010. Hansa konnte erstmals nicht vermeiden, in die 3. Liga abzusteigen. Sein damaliger Verein, der SC Paderborn, hatte das Klassenziel dagegen erreicht. Und doch standen die Zeichen auf Vereinswechsel. Knapp 60 Spiele hatte Holst zwischen 2008 und 2010 für die Niedersachsen absolviert, den Aufstieg in die 2. Bundesliga und den Klassenerhalt dort geschafft. Doch eine Verletzung kostete den Modellathleten in der Rückrunde 2010 den Stammplatz und so gab es kein langes Zögern, als Hansa Rostock anfragte.
Warum eigentlich nicht? Weil der Mann im übertragenen Sinn noch einen Koffer in Rostock hatte! Marlene Dietrich wird in der Sportberichterstattung bemüht, wenn man verdeutlichen will, dass ein Sportler einen guten Grund hat, für einen bestimmten Verein anzutreten. So war es demzufolge bei Matthias Holst auch.
Schon einmal war er zum FC Hansa gewechselt. Im Sommer 2003 folgte er dem Ruf an die Ostseeküste, um Fußball-Profi zu werden. Holst kam von den Amateuren des Hamburger SV, wo er unter Trainer Frank Pagelsdorf mit den Profis trainierte und sich so berechtigte Hoffnungen machte, bei Hansa den Durchbruch zu schaffen. "Der Sprung in die erste Mannschaft und in die 1. Liga war natürlich mein Ziel," erinnert sich Holst. Nun, dieses Ziel verfehlte der damals Anfang 20jährige. Und doch erinnert sich Holst heute noch gerne an diese Zeit. Bei den Hansa-Amateuren wurde er schnell Stammspieler, Oberliga-Meister und Landespokal-Sieger. Später wechselte er dann zu Rot-Weiß Erfurt, wo er mit Trainer Dotchev den Abstieg aus der 2. Bundesliga "reparieren" wollte. Als sein Coach nach Paderborn ging, folgte der Abwehrrecke ihm. Neben seinen Defensivkünsten bestach Holst bei all seinen Vereinen mit seiner lupenreinen Einstellung zu Kollegen, Trainern und Beruf. Deshalb nahm seine "alte Liebe" Hansa Kontakt zu ihm auf. Die Saison 2009/10 verlief katastrophal, was auch an der Zusammensetzung des Kaders lag und im Abstieg in die 3. Liga gipfelte.
Im Idealfall ohne Umweg in die Zweite Liga
"Als die Rostocker sich meldeten, war für mich klar, dass ich wieder zu Hansa gehe. Ich hatte eine gute Zeit hier und wollte diese wiederholen und mithelfen, den Verein wieder auf die Beine zu kriegen."
Doch ohne Fleiß kein Preis! Und so wird Matthias Holsts Tatendrang aktuell und auch schon länger auf eine harte Probe gestellt.
Genau seit dem 19. Mai 2010. Tags zuvor hatte Holst noch ein Freundschaftsspiel mit dem SC Paderborn. Hatten wir erwähnt, dass der Ligabetrieb gelaufen war und für Holst mangels Stammplatz in der 2. Liga und dank Kontakt zu Hansa ohnehin in Paderborn nichts mehr zu gewinnen war?
Trotzdem kniete sich der Hüne auch in dieses Spiel und er tat es intensiv – zu intensiv!
"Eigentlich sollte ich zur Halbzeit raus, aber da ich ehrgeizig bin und auch im Training immer alles gebe, wollte ich dieses letzte Spiel für Paderborn auch gewinnen." Naja, hinterher ist man immer schlauer. Mitte der 2. Halbzeit verdrehte sich Matthias Holst das Knie. Einige Tage später wurde er am lädierten Meniskus operiert, unterschrieb bei Hansa einen Vertrag und ging dann in den Urlaub, wo er kräftig Reha betrieb. So ein Meniskus ist oft ein unberechenbarer Mitspieler. Der von Holst erwies sich als besonders fieser Zeitgenosse, da sich im Herbst herausstellte, dass er (der Meniskus) komplett ersetzt werden musste und einen Knorpelschaden verursacht hatte. Seitdem steht fest, dass Holst in der laufenden Spielzeit nicht mehr zum Einsatz kommen wird! "Natürlich war die Diagnose ein Schock. Es hat schon eine Weile gedauert, alles zu verarbeiten. Meine Frau und ich haben in dieser Zeit viel miteinander gesprochen. Sie hat mich da toll aufgefangen. Und bei meinen drei Kindern werde ich sowieso super aufgebaut. Da bin ich natürlich der Papa; den Kleinen ist egal, ob ich Fußball spiele."
Obwohl er derzeit nicht grade vom Glück verfolgt scheint, beeindruckt der Husumer durch seine positive Austrahlung. An ein Karriereende hat Holst keinen Gedanken verschwendet und deshalb auch keine konkreten Pläne. "Ich habe mal Anlagenbauer gelernt und bin handwerklich ziemlich geschickt. Wenn es mal vorbei ist mit dem Fußball, kann ich mir allerdings beruflich vieles vorstellen. Das kann ebenso ein Job im Büro sein, wie eine Tätigkeit im Fußball," erklärt er, "Ich bin aber Optimist. Selbstzweifel und Zukunftsangst sind kein Thema. Natürlich habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt gebraucht werde. Deshalb versuche ich so dicht wie möglich bei der Mannschaft zu sein. Weil ich den Kontakt zu den Jungs brauche und für mich wichtig ist, zu erleben, wie aus dem doch recht bunt zusammen gewürfelten Haufen eine echte Mannschaft wird."
Fünf Stunden am Tag arbeitet Holst mit Reha-Maßnahmen in der Moorbad-Klinik Bad Doberan an seinem Comeback. Anschließend fährt er zum Hansa-Trainingsgelände, um sich dort weiter im Fitnessraum zu schinden, aber auch um mit Verantwortlichen und Kollegen in Kontakt zu bleiben. Bei Hansa ist man froh, einen Spieler mit einer solchen Einstellung zu haben – auch wenn dieser noch lange Zeit nur die Intensität seiner Spaziergänge verstärken und nicht mal joggen darf. "Aber das wird wieder", weiß Matthias Holst und seine Zuversicht ist ansteckend. Schließlich hat er ja noch eine Mission hier: die Bundesliga mit Hansa, und wenn es die zweite im zweiten Anlauf ist.
CHRISTIAN RUTSATZ
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