Verblüffenderweise lässt der Begriff VERDICHTEN nicht wenige an das komprimierte Gemisch im Innern eines Verbrennungsmotors denken. Weshalb aber verknüpfen ausgerechnet Kreative das VERDICHTEN mit dem Wörtchen DRUCK?
Sollten sie – allesamt Künstler, Freiberufler und Freigeister – eingedenk ihrer Zusage zu der im "artquarium" anstehenden Schau mit dem Titel "VERdichtET" womöglich unter Druck geraten sein?
Ausgeschlossen, versichert Christian Plothe, Glas-Restaurator und Schöpfer großformatiger bis filigraner Objekte aus geschmolzenem Quarz und verweist auf eine eben unter seinen Händen entstehende hauchzarte Umarmung aus Glas und Blei: "Verdichtet!", sagt er geheimnisvoll.
Eingedenk des Ausstellungstitels hatte die "forschungsgruppe kunst" als erstes in die Kerbe geschlagen: Die Synonyme "Druck" und "Pressung" waren ihm "spontan durch den Kopf geschossen", berichtet ein Mitglied der Gruppe, dazu Worte wie "intensiv, konzentriert, komprimiert, gestrafft", aber auch "angereichert" und "verstärkt". "Wir steuern ein "Konsumkompressionsaggregat" zur Ausstellung bei", deren Inspiration sich aus einer 1902 von dem Soziologen Werner Sombart veröffentlichten Betrachtung des Konsums speist. Die Installation aus Bannerfolie und einer Maschine soll "die Verdichtung unseres Konsums und die daraus resultierenden kläglichen Überreste" versinnbildlichen.
Holzgestalter Felix Teredow führt ebenfalls die Worte "Druck" und "Kompression" ins Feld. Er überrascht mit seinem Verfahren, Gefäße aus frischem Holz zu drehen. Die endgültige Formgebung indes überlässt er dem natürlichen Trocknungsprozess. "Die erwartete geometrische Form stellt sich nicht ein", erklärt er. Spannungen im trocknenden Holz lassen seine hoch- und niedrigwandigen Unikate "deutlich deformiert" erscheinen, und eben das macht sie – spannend.
"Was mich umtreibt, ist die Zeit, die mir davonläuft, an mir vorbeirast und nie genug ist", meint Textilkünstlerin Asta Rutzke. Zwischen ihren Worten lässt sich durchaus der Druck erahnen, den der Blick auf Chronometer und Kalendarium verursachen kann. Mit einem Mix aus Textilem und Papiermacheé verdichtet die Textilgestalterin damit "das Thema Zeit".
Für Keramikerin Petra Benndorf, die im "artquarium" mit reizvollen Porzellan-Objekten aufwartet, hat das Verdichten zunächst einen technischen Aspekt: "Porzellan hat im Vergleich zu anderen Keramik-Arten wie Steinzeug oder Irdenware den am meisten verdichteten Scherben", weiß die Keramiker-Meisterin und fügt an: "Natürlich sind die Arbeiten auch das Konzentrat, also die Verdichtung meiner Jahrzehnte langen Beschäftigung mit Keramik."
Keramik- und Glasdesignerin Sandra Schmedemann indes verbindet das Verdichten mit dem nahe liegenden "verschließen, dicht machen". Ihr Ausstellungsbeitrag weist "in Richtung Stillleben; es geht um Zusammengehörigkeit, Gruppe, Verschmelzung und um geschlossene Gefäße: ganz plakativ dicht gemacht", erklärt sie.
Das Abschließen ist ebenso das Thema von Andrea Schürgut. "Seelengefäße" nennt sie ihre vielgestaltigen Grabgefäße aus Ton. "Erlebnisse, Erfahrungen, Erkenntnisse, Essenzen verdichten sich am Ende des Lebens", weiß die Keramikerin, die in zweiter Profession Trauernde in ihrem Prozess des Abschiednehmens begleitet. "Verdichtete Spuren von Menschen begegnen mir immer wieder bei meiner Arbeit", erzählt sie. "Ich möchte diesen Verdichtungen Gestalt verleihen, den Ton durch meine Hände sprechen lassen."
"Auf das Thema VERdichtET sind wir wegen des Zusammenrückens sehr unterschiedlicher Künstler mit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen gekommen", sagt Anna Silberstein, Schmuckdesignerin und Gründerin der Produzentengalerie "artquarium". Mit dem Verdichten assoziiert die Schöpferin von Schmuck und Konstrukten das Spiel von Nähe und Ferne. Vermittels im Raum platzierter Ferngläser und Spiegel bringt sie "mikroskopische Ansichten auf sichtbare Größe" und legt "Schichtungen von sichtbaren Ebenen übereinander". Sie lädt den Ausstellungsbesucher zu einem "konzentrierten Blick ins, artquarium‘ ein, der völlig neue Ansichten bietet".