Rechtzeitig kurz vor Weihnachten – der Zeit der frohen Botschaft – war es nochmal an der Zeit für eine schlechte Botschaft. Für den Stadthafen, für junge Touristen mit kleinem Budget und natürlich für die Mitarbeiter: die Rostocker Bürgerschaft beschloss, das Vorkaufsrecht der Hansestadt für die MS "Georg Büchner" nicht zu nutzen und stattdessen das Schiff, das schon seit vielen Jahren die Lücke schloss, die das PORTCENTER einst hinterließ, zu verkaufen. Dies ist inzwischen passiert und es ist damit zu rechnen, dass die "Georg Büchner" noch in diesem Monat, wenn das Wetter nicht noch zum Faktor wird, seinen Liegeplatz im Stadthafen verlässt, um nach Lettland geschleppt zu werden, wo sie ausgeweidet und dann verschrottet werden soll.
Doch dies ist nicht das einzige traurige Kapitel der Geschichte "Das maritime Erbe Rostocks", an dem seit nunmehr über 20 Jahren geschrieben wird. Eigentlich verdient das Werk die Bezeichnung Horrormärchen, denn es ist unglaublich und gruselig, was in den letzten beiden Jahrzehnten rund um das Thema passiert ist. Da gibt es Diebe, Schurken, verwunschene Orte und strahlende Helden.
Letzteren hätte die "Georg Büchner" auch gebraucht und zwar einen mit Taschen voller Geld. Denn die "Büchner" war zwar nicht schon immer ein "verwunschener" Ort, aber in den letzten Jahren kam doch einiges zusammen. Wie auch Klaus Janßen vom Verein Jugendgästeschiff bestätigt. "Den ersten Hilferuf in Richtung Oberbürgermeister und Bürgerschaft gab es vor zwei Jahren zum 60. "Geburtstag" unseres Schiffes. Der OB hat unsere Situation auch gleich richtig eingeschätzt und seine Unterstützung zugesagt. Anfang diesen Jahres haben wir dann unsere Vorschläge vorgestellt, in denen wir der Stadt anboten, die 'Büchner' zu kaufen, um dann eine ähnliche Regelung zu finden, wie sie beim Traditionsschiff gilt."
SCHICKSAL DER "BÜCHNER" IST BESIEGELT – DOCH GIBT ES HOFFNUNG FÜR DEN VEREIN?
An den Gestaden des IGA-Parks – huch, noch so ein verwunschener Ort – liegt seit vielen Jahren das Traditionsschiff. Dieses ist ein technisches Denkmal, wurde schon 1970 zum Schiffbaumuseum erklärt und soll heute eigentlich der Mittelpunkt des Rostocker Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums sein. Und da sind wir auch schon beim nächsten Problem, denn für einen "Mittelpunkt" liegt das Museumsschiff reichlich ungünstig und dezentral. Deshalb gibt es seit Jahren Stimmen, die die Verlegung des Traditionsschiffs in den Stadthafen fordern, um mehr Besucher anzulocken und die Zukunft von Schiff und Museum finanziell abzusichern. Eigentümer des Traditionsschiffs ist die IGA Rostock 2003 GmbH, die wiederum jährlich Geld für den Unterhalt des Traditionsschiffs von der Stadt Rostock bekommt. Und da wären wir nun bei dem Modell, das von den Mitarbeitern der "Georg Büchner" angestrebt wurde. Wer sich nun fragt, wie die Büchner in diese Schieflage kam, der bekommt von Klaus Janßen schnell einen Enblick in die Entwicklungen der letzten Jahre: "Unsere Situation war noch nie rosig. Aber als wir vor 11 Jahren im Stadthafen vor Anker gingen, haben wir solide Einnahmen gehabt. Zahlreiche Bildungsträger schlossen längerfristige Mietverträge mit uns ab. Dazu kamen die Einnahmen durch die Jugendherberge. Auf diesem Weg konnten wir zwar keine großen Gewinne erwirtschaften, aber immerhin unsere Betriebskosten und die wichtigsten Instandhaltungsmaßnahmen finanzieren."
Doch vor einigen Jahren änderten sich die Rahmenbedingungen. Durch private und öffentliche Investitionen entstanden riesige neue Büroflächen in Rostock. Diese waren modern, barrierefrei und aufgrund ihrer Lage und ihrer großen Anzahl eine zu starke Konkurrenz für die "Georg Büchner", sodass diese Einnahmen in den vergangenen Jahren sukzessive wegbrachen. Die 10 bzw. 4 Stellen, die als Sommer- bzw. Winterbesatzung an Bord waren, wurden durch die Jugendherberge und den 2. und 3. Arbeitsmarkt finanziert. "Abgesehen von 500 Euro vom Amt für Denkmalpflege, haben wir in den vergangenen 11 Jahren aber keine weiteren Mittel von der Stadt bekommen," stellt Klaus Janßen stolz und mit nur einem Hauch Bitternis fest. "Ob wir von der Entscheidung der Bürgerschaft überrascht wurden? Nein! Angesichts der Haushaltslage war nicht damit zu rechnen, dass die Stadt uns retten würde. Natürlich haben wir bis zum Schluss gehofft, schließlich wurde für andere Dinge wie z.B. das Theater und den FC Hansa auch immer mal wieder Geld gefunden. Doch aufgrund der Kosten, die für eine dringend notwendige Heizungsanlage und den Brandschutz aufgewandt werden müssten, war ein Modell wie beim Traditionsschiff eigentlich immer unrealistisch. Ich weiß nicht, ob die kolportierten 5 Millionen Euro Investitionsvolumen stimmen, aber die Summe orientiert sich wohl am Traditionsschiff."
Natürlich merkt man Klaus Janßen die Betroffenheit über das Aus für sein Schiff an, doch von Resignation will er nichts wissen. "Für uns vom Verein Jugendgästeschiff "Georg Büchner" wird es weiter gehen. Bis das Schiff im Januar in Schlepp genommen wird, gibt es für uns noch genug zu tun. Wir packen ein, was unserem Verein gehört und halten den Brandschutz und weitere Systeme am Laufen. Und was die Zukunft angeht, haben wir hoffentlich Grund zu Optimismus. Die Stadt hat zugesagt, uns bei der Suche nach einem neuen Standort für eine Jugendherberge behilflich zu sein. Schließlich gibt es außer der in Warnemünde keine Jugendherberge in Rostock. Und dies ist für ein Tourismuszentrum kein tragbarer Zustand."
Es geht also wohl weiter für den Verein, doch für die "Georg Büchner", die einst zwischen Belgien, Angola und Belgisch-Kongo verkehrte und ab 1967 als Ausbildungsschiff der DSR fungierte, sind die Messen endgültig gesungen.
Mit Urs Blaser meldet sich ein scharfer Kritiker des "Büchner"-Verkaufs zu Wort. Der Schweizer kritisiert den Verkauf aus verschiedenen Gründen: "Die Situation ist mir nicht aus erster Hand bekannt, aber es stellen sich dringende Fragen öffentlichen Interesses. Nachdem die "Büchner" vormals der Stadt gehört hat, und nachdem vermutlich ein zweistelliger Millionenbetrag AFG-Mittel in 20 Jahren dem Schiffserhalt zu Gute kam, ist der leichtfertige Umgang in dieser Sache nicht nachvollziehbar. Offensichtlich hat die Hansestadt ein Vorkaufsrecht zu einem Preis, welcher unter dem Schrottwert liegt, obwohl dieser zur Zeit ungewöhnlich tief liegt. Wenn das Schiff wirklich abgewickelt werden soll, obwohl dieses als Landungsschiff ungewöhnlich stark gebaut wurde (und mit einer Außenhaut von 30 mm gegenüber normalen 10 mm über eine ausserordentlich lange Lebenserwartung verfügt), müsste die Hansestadt zumindest bestrebt sein, zu einem besseren Zeitpunkt einen besseren Erlös zu erzielen, um diesen den bleibenden Traditionsschiffen zuzuführen. Der jetzige Verkaufszeitpunkt jedenfalls kommt einer unnötig großen Sachwertvernichtung gleich, nicht zuletzt auch, weil die Klassifizierung des Unterwasserschiffes zur Zeit noch nicht mal das Problem ist."
Ob der "Untergang" der "Büchner" nun zum bereits erwähnten Umzug des Traditionsschiffs führt, steht noch in den Sternen. Als Teil des Rostocker Schiffbau- und Schiffahrtsmuseums sollte dies im Stadthafen liegen und so für Besucher attraktiver erreichbar sein.
Dies sah auch die damals zuständige Kultursenatorin Ida Schillen so, doch konnte sie sich damals mit ihrem Vorschlag politisch nicht durchsetzen.
Die "Büchner" ist also bald weg und das Traditionsschiff (noch) nicht da. Und womöglich entsteht bald noch eine neue Lücke am Kai der Hafenflaniermeile.
IRONIE DES SCHICKSALS: EISBRECHER LIEGT AUF EIS
Denn auch die Zukunft des Eisbrechers "Stephan Jantzen" ist äußerst ungewiss. Dies liegt an den unübersichtlichen Besitzverhältnissen, die zu klären zuletzt gar ein Rostocker Gericht angerufen werden musste.
Bei Wikipedia heißt es: "Die Kiellegung erfolgte 1965, die Indienststellung Anfang 1968. Die Stephan Jantzen fuhr von 1967 bis 1990, bereedert durch die Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei (BBB), für das Seefahrtsamt der DDR und von 1990 bis 2005 für das Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund. Heimathafen war bis 1990 Rostock, dann Stralsund. Das Schiff war Deutschlands zweitgrößter Eisbrecher.
Am 2. April 2005 wurde der Eisbrecher außer Dienst gestellt und durch das Mehrzweckschiff Arkona ersetzt. Der Eisbrecher wurde in einer Internet-Auktion der Verwertungsgesellschaft des Bundes (VEBEG) für 430.000 Euro von der griechischen Reederei Beta Mar Limited ersteigert. Die Reederei sprang aber ab und ließ die 40.000 Euro Anzahlung verfallen.
Im Mai 2006 bekam der Eisbrecher einen US-amerikanischen Eigentümer, den New Yorker Immobilienhändler und Modelagenturbesitzer Paolo Zampolli, der das Schiff für 450.000 Euro erwarb und zum "Luxus-Eisbrecher" für Privatfahrten in der Arktis und Antarktis umbauen lassen wollte. Das Planungsbüro McFarlane veröffentlichte dazu Entwürfe im Internet. Der neue Eigentümer ließ das Schiff zwar im Hafen Kingstown auf St.Vincent anmelden, jedoch nicht von seinem Liegeplatz am Kai des Nautineums Stralsund auf dem zu Stralsund gehörenden Dänholm abholen; er gab an, keine Werft gefunden zu haben, die den Eisbrecher wie gewünscht umbauen könnte. Im Februar 2009 bot die in Fort Lauderdale ansässige Maklerfirma Fraser Yachts Worldwide das Schiff im Internet für 3,5 Millionen US-Dollar bzw. 2,8 Millionen Euro an.
Seit dem 9.August 2009, dem Ende der 19. Hanse Sail, lag die Stephan Jantzen im Rostocker Stadthafen am Liegeplatz 83 in der Nähe des Parkplatzes "Fischerbastion"; sie wurde von der IG Eisbrecher "Stephan Jantzen" betrieben und konnte besichtigt werden. Am 17. Juli 2012 musste der Verein kurzfristig seine Arbeit einstellen, da das Schiff seinen Liegeplatz in Rostock verlassen sollte. Das Schiff wurde Ende 2012 in "König Ludwig II. von Bayern" umbenannt und als Yacht registriert."
Nun, insbesondere das letzte Kapitel sorgte für die Anrufung des Gerichtes. Kai Gunther Lehmann gab sich im Sommer als Beauftragter des Eigentümers Zampolli zu erkennen und verwies in dessen Namen die Interessengemeinschaft "Eisbrecher Stephan Jantzen", die in den vergangenen Jahren für die Bewirtschaftung und den Erhalt des Schiffs gesorgt hat, von Bord. Im Oktober beschloss Lehmann aufgrund vermeintlich ausstehender Zahlungen Zampollis von einem Pfandrecht Gebrauch zu machen und ließ das Schiff mithilfe einer einstweiligen Verfügung unter dem Namen "König Ludwig II. von Bayern" auf seinen Namen registrieren. Die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs sollte im Verfahren geklärt werden, doch die Situation scheint zu verworren. Zwar wurde die einstweilige Verfügung, die Lehmann zum Eigner machte, aufgehoben, doch bis zur entgültigen Klärung in einem ordentlichen Verfahren, wurde die "Stephan Jantzen" unter die Zwangsverwaltung eines Sequesters gestellt.
Wir befragten Michael Egelkraut vom Verein Technische Flotte Rostock e.V. zur aktuellen Lage.
0381-Magazin: Herr Egelkraut, Sie und Ihre Vereinsmitglieder beobachten die Situation der "Stephan Jantzen" seit geraumer Weile. Wie stellt sich diese derzeit dar?
Michael Egelkraut: Wir haben das Verfahren zur Feststellung des Eigentümers natürlich mit großem Interesse verfolgt, da wir die "Stephan Jantzen" bis zum Sommer des letzten Jahres bewirtschaftet haben und dann sehr kurzfristig das Schiff verlassen mussten. Durch das Urteil ist zumindest sichergestellt, dass die "Stephan Jantzen" vorerst in Rostock verbleibt und nicht wie vom Beklagten geplant, weggeschleppt wird.
0381-Magazin: Ist damit die Zukunft des Eisbrechers gesichert?
Egelkraut: Nein, dafür sind noch zuviele Fragen offen. Das Wichtigste wäre, dass der Eigentümer Paolo Zampolli sich zu dem Schiff und seinen Kosten bekennt. Unser Verein hat, wie auch die Kollegen von der Sozietät Maritim, großes Interesse am Verbleib des Schiffes in Rostock. Auch weil dieses natürlich die Attraktivität des Stadthafens erhöht. Doch daran muss vor allem der Eigentümer Interesse haben.
0381-Magazin: Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es überhaupt?
Egelkraut: Wir können uns ein erneutes Engagement auf und für die "Stephan Jantzen" unter gewissen Voraussetzungen sehr gut vorstellen. Unser Verein existiert und hat Interesse an der Zukunft des Schiffs. Doch wir wollen natürlich am Ende nicht in den Mond gucken. Unser Verein kann die Kosten für Brennstoff und Energie, sowie die Gebühren für den Liegeplatz nicht alleine stemmen. Da muss der Eigentümer schon dabei sein.
0381-Magazin: Was bedeutet die Zwangsverwaltung durch einen Sequester für die aktuelle Lage?
Egelkraut: Da nicht bekanntgemacht wurde, wer die Zwangsverwaltung übernimmt, bleiben viele Fragen offen. Ich weiß nur, dass weder wir, noch ein anderer Verein damit betraut wurde. Die Bewachung wurde dem Bundesamt für Seefahrt und Hydrographie übertragen. Deshalb gehe ich davon aus, dass eine Behörde die Verwaltung übernehmen muss. Wir machen uns Sorgen um die Substanz des Schiffes. Zwar besteht aktuell keine Gefahr, dass die "Stephan Jantzen" einfriert, doch bis der Winter wieder einsetzt, muss Diesel gekauft werden, damit die Systeme rechtzeitig wieder in Gang gesetzt werden können. Passiert das nicht, besteht die Gefahr, dass das Schiff bei hartem Frost sogar auf Grund sinken könnte. Und das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.
0381-Magazin: Woher rührt Ihr persönliches Engagement für die "Stephan Jantzen"?
Egelkraut: Wir haben ja nun in den letzten Jahren sehr viel Zeit und Energie in unseren Verein und damit in den Eisbrecher gesteckt. Die Arbeit der Vereins- und Crew-Mitglieder soll nicht umsonst gewesen sein. Meine Motivation rührt aus langer Verbundenheit zu diesem Schiff. Ich kenne das Schiff schon seit den 1970er Jahren, als ich Inspektor der Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei wurde und auf der "Stephan Jantzen" tätig war.
Der Eisbrecher bleibt also zumindest vorerst im Stadthafen, doch ob dies von Dauer sein wird, bleibt fraglich.
Wir konstatieren also einen Abgang und ein ungewisses Schicksal von Schiffen, die das Bild des Stadthafens prägen. Ein solches war viele Jahre lang auch die "Stubnitz".
SEIT GERAUMER ZEIT WERDEN DIE REISEN LÄNGER UND DIE LIEGEZEITEN DER "STUBNITZ" IM HEIMATLICHEN STADTHAFEN KÜRZER.
Das ehemalige Kühlschiff der DDR-Hochsee-Fischfang-Flotte, das Anfang der 1990er Jahredurch den Motorschiff Stubnitz e.V. und dessen Vorgänger zum Kulturschiff umfunktioniert und umgebaut wurde, hatte lange Zeit seinen Stammplatz bei den charakteristischen blau-gelben Kränen bei der Haedge-Halbinsel. Nachdem im Jahr 2000 eine Fahrterlaubnis für internationale Gewässer erteilt und vor drei Jahren bestätigt wurde, entwickelte sich die "Stubnitz" zur Rostocker Kulturbotschaft im Nord- und Ostseeraum. So war Rostock durch die "Stubnitz" bei Ereignissen in Hamburg, Rotterdam, Amsterdam, Brügge, Stettin, Kopenhagen und zuletzt auch bei den Olympischen Spielen in London vertreten.
"Stubnitz"-Chef Urs Blaser schätzt die Situation seines Schiffs wie folgt ein: "Dass das Kultur- und Denkmalschiff 20 Jahre funktionstüchtig erhalten werden konnte, grenzt an ein Wunder. Die Stadt unterstützt die kulturellen Aktivitäten seit langem verlässlich und hat sich damit bis heute einen Sympathieträger im nordeuropäischen Raum erhalten. Der Schiffserhalt des gelisteten Denkmals ist aber kaum je öffentlich gestützt worden. Auch hier würde eine realistische Grundlage geschaffen werden müssen, wenn das Schiff Rostock erhalten bleiben soll. Anfang 2014 ist die nächste Dockung fällig. Im Ausland, zur Zeit in London, versucht die "Stubnitz" nach Kräften die nötigen Eigenmittel hierfür aufzubauen. Gemessen an dem vergleichsweise kleinen Finanzbedarf ein unangemessener und unwürdiger Zustand."
Die letzte Abreise aus Rostock liegt nun schon fast ein dreiviertel Jahr zurück. Ob mit einer Rückkehr zur HanseSail oder erst zur Dockung im nächsten Jahr zu rechnen ist, war zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erfahren.
WELCHE ZUKUNFTSCHANCEN HAT DER STADTHAFEN?
Nun ist der Stadthafen im Winter ohnehin nicht sonderlich anziehend und mit – oder besser – ohne die "Georg Büchner" und die Stubnitz fehlen am städtischen Warnowufer nicht nur das Kulturschiff und die Jugendherberge, sondern auch zwei beliebte Foto-Motive. Langfristig muss diesem Mangel Abhilfe geschaffen werden, denn eigentlich gehört der Stadthafen zu den touristischen Pfunden, mit denen Rostock wuchern könnte.
Diese Meinung vertritt auch Jochen Pfeiffer von der Sozietät Maritim, die seit Jahren aus dem Gebäude des ehemaligen Schifffahrtsmuseums versucht, Rostocks maritime Vergangenheit zu bewahren.
0381-Magazin: Herr Pfeiffer, die "Georg Büchner" wird nach Lettland geschleppt und verschrottet, die Zukunft der "Stephan Jantzen" ist ungewiss, das Traditionsschiff liegt in Schmarl und wann die "Stubnitz" wieder in ihrem Heimathafen anlegt, steht in den Sternen. Verkommt der Stadthafen zur Joggingstrecke mit periodischen Unterbrechungen durch Kirmesveranstaltungen?
Jochen Pfeiffer (Vorsitzender Sozietät Maritim e.V.): Die Entwicklungen, die wir seit Jahren konstatieren müssen, sind äußerst bedauerlich. Aber tatsächlich wurden die Fehler schon in der Vergangenheit begangen und müssen heute ausgebadet werden. Und das maritime Erbe der Stadt wurde nach der Wende 10 Jahre lang total vernachlässigt.
0381-Magazin: Können Sie uns die Fehler näher erläutern?
Pfeiffer: Nun, es mangelt ja derzeit überall am Geld. Rostock ist finanziell stets am Rande der Handlungsfähigkeit und hat kaum Möglichkeiten, unvorgesehen eintretende Finanzlöcher zu stopfen. Das gilt aber auch für vorhersehbare Kostenereignisse. Wie z.B. die ständigen Engpässe beim Theater.
Der Grund liegt natürlich in der Vergangenheit, als Geld ausgegeben wurde, das nicht da war, für Projekte, die nicht das einspielten, was man sich von ihnen erhoffte. Siehe IGA, bei der am Ende Millionen Gäste fehlten oder der zwar privat finanzierte Warnow-Tunnel, der aber in den nächsten 30 oder 50 Jahren eher zum Kostenfaktor wird, als dass er Geld in die Stadtkasse bringt.
Rostock ist mit mindestens 200 Millionen Euro verschuldet und muss diese Schuldenberg abbauen, müsste aber andererseits investieren, um zukunftsfähig zu sein. In diesem Dilemma stecken die Bürgerschaft und die Stadtverwaltung, der der Oberbürgermeister vorsteht. Die Lage ist also schon schlimm. Und die Tatsache, dass man sich dann auch noch gegenseitig blockiert, lässt die Situation eskalieren.
0381-Magazin: Es gab und gibt also keine Möglichkeiten, in die erwähnten Malaisen einzugreifen?
Pfeiffer: Nein, eigentlich nicht. Für die "Georg Büchner" ist schlicht und ergreifend kein Geld da. Die Einnahmen trugen die Kosten nicht mehr. Die Mittel für Investitionen sind weder durch den Trägerverein, noch durch die Stadt aufzubringen. Natürlich hat man beim Verein auf Rettung gehofft. Doch die Bürgerschaft konnte die Übernahme des Schiffs nicht beschließen. Schließlich trägt die Stadt schon die Kosten für den Unterhalt des Traditionsschiffs, das zwar der IGA-Gesellschaft gehört, dessen Crew und anfallende Kosten aber von der Stadt mit einer knappen Million unterstützt werden.
0381-Magazin: Und wie beurteilen Sie die Lage der "Stephan Jantzen" und der "Stubnitz"?
Pfeiffer: Beim Eisbrecher werden wir die Entwicklung beobachten. Da sind wir als Verein an einer Kooperation mit dem Eigner Zampolli interessiert und waren auch schon in Verhandlungen. Dann kam Herr Lehmann, der wohl mal Geschäftspartner von Zampolli war, bis man sich heillos zerstritt. Man hört, Zampolli sei seriös, während ich weiß, dass Herr Lehmann ein Abenteurer ist, der auch schon Reisen mit Flugzeugen ohne Flügel an den Mann bringen wollte. Hier heißt es also erstmal abwarten.
Und bei der "Stubnitz" kann man sich darauf verlassen, dass der Urs (Blaser – Chef und Manager des Schiffs) hier jedes Jahr auftaucht.
"DAS TRADITIONSSCHIFF IST UND BLEIBT DIE NUMMER EINS FÜR ROSTOCK"
0381-Magazin: Das Traditionsschiff stellt den Mittelpunkt des Rostocker Schiffbau- und Schiffahrtsmuseums dar. Ist dies am derzeitigen Standort wirklich so oder gehört es nicht doch in den Stadthafen, wo es viel mehr Besucher hätte?
Pfeiffer: Das Traditionsschiff ist und bleibt die Nummer 1 für Rostock. Sicherlich wäre es als Schiffbaumuseum in der Konstellation mit einem Neubau eines Schiffahrtsmuseums ebenfalls im Stadthafen erheblich attraktiver für Besucher, doch solche Gedankenspiele sind utopisch.
0381-Magazin: Warum?
Pfeiffer: Wissen Sie, es gibt seit Jahren Planspiele für eine Maritime Meile. Da könnte ein Theater am Wasser ebenso dabei sein, wie der von mir erträumte Neubau eines Schiffahrtsmuseums. Ich bin sicher, dass diese Maritime Meile so nicht entstehen wird. Weder ein Theater-, noch ein Museumsneubau ist baulich am Stadthafen möglich. Der Untergrund gibt solche Bautätigkeit nicht her. Man müsste den Untergrund durch eine Unmege Pfähle vorbereiten, wie es einst in Venedig und St. Petersburg der Fall war. Die Stadt kann sich die Neubauten ohnehin kaum leisten, geschweige denn unter solchen Voraussetzungen. Und was das Traditionsschiff angeht, müsste es den politischen Wilen geben, dieses in die Stadt zu verlegen. Und dann müsste man die Voraussetzungen dafür schaffen, denn im Moment ist das Schiff schlicht zu groß, um es am Liegeplatz der "Büchner" anzulegen.
0381-Magazin: Warum konnte das Schiffahrtsmuseum eigentlich nicht an seinem alten Standort beim Steintor bleiben?
Pfeiffer: Das ist eine Frage, die heute nicht mehr so leicht beantwortet werden kann. Irgendwann wurde mal beschlossen, dass diese höchst attraktive Immobilie Geld einbringen soll. Also musste das Museum geschlossen werden, ohne dass eine Anschlusslösung bereit stand. Dann stellte sich heraus, dass eine Sanierung unter allen Denkmalschutzauflagen unheimlich teuer wäre und so fand sich kein Investor. Irgendwann durften wir dann einziehen, damit das Gebäude nicht dem Zahne der Zeit und dem Vandalismus zum Opfer fällt. Mithilfe des Seehafens und vieler anderer Leute und Institutionen versucht die Sozietät Maritim, Rostocks maritime Vergangenheit abzubilden.
0381-Magazin: Gibt es denn eine Chance, das Schiffahrtsmuseum am alten Standort wiederzueröffnen?
Pfeiffer: Nein, das scheint ausgeschlossen. Es gibt nämlich einen Bürgerschaftsbeschluss, dieses Gebäude zum Ausstellungsort des Kulturhistorischen Museums umzuwandeln. Die Ausschreibung für die Gebäudesanierung erfolgt dieses Jahr, der Abschluss der Renovierung und die Eröffnung sollen dann 2018 realisiert werden.
0381-Magazin: 2018 wird dann ja eine Menge neuer Dinge in Rostock entstanden sein. Schließlich steht dann ja auch das neue Theater ...
Pfeiffer: (lacht) Ja genau. Wenn sich bis dahin ein Standort und die Mittel gefunden haben. Und das Theater dann überhaupt noch existiert. Oder wieder.
0381-Magazin: Was macht Sie da so skeptisch?
Pfeiffer: Ach wissen Sie, manchmal frage ich mich, nach Sinn und Unsinn, wenn ich mitbekomme, was hier so abläuft. Da soll also ein Theaterneubau entstehen, obwohl sich die Theater derzeit gar nicht trägt. Nun, dabei handelt es sich um Kultur. Diese muss man sich leisten wollen. Ist dieser Wille da, stellt sich mir die Frage, warum schafft man es denn nicht, das Theater auf solide Füße zu stellen. Es wäre längst möglich gewesen, dieses Unternehmen geordnet in Insolvenz gehen zu lassen und dann mit einer neuen finanziellen Basis neu zu gründen. Weiterhin fragwürdig ist für mich die Standortsuche. Da wird über den Stadthafen und die Gegend am Kanonsberg nachgedacht und nichts passiert. Und gleichzeitig entsteht auf städtischem Gelände mit bester Infrastruktur gegenüber der Stadthalle in der Südstadt ein neuer Supermarkt!? Das verstehe ich nicht.
0381-Magazin: Wenn nun eine gute Fee mit einem Füllhorn bei Ihnen auftauchte, wieviel würde es kosten, Rostocks Stadthafen ein würdiges Antlitz mit maritimm Flair zu verpassen?
Pfeiffer: Da fragen Sie mich was ... Ich könnte mir vorstellen, dass man mit 150.000.000 Euro ein tolles Schiffahrtsmuseum und ein schönes Theater an den Stadthafen stellen könnte. Ob es auch für einen Umzug des Traditionsschiffs reichen würde, weiß ich aber nicht.
P.S.: DER BESUCH DER ALTEN DAME – IN DRESDEN
Das Schicksal der UNDINE wäre dann wohl auch noch nicht geklärt. Noch nie davon gehört? Ok, dann also erstmal ein kurzer Einblick in die Geschichte dieser Rostocker Legende:
Am 9. März 1910 lief die "Kronprinz Wilhelm" als See- und Salondampfer auf der Neptunwerft vom Stapel. Das 34,5 Meter lange und 6,7 Meter breite Schiff wurde im Ersten Weltkrieg für die Flottenversorgung eingesetzt. Im Zweiten Weltkrieg war es Minensucher und Wachschiff. 1945 wurde es bei einem amerikanischen Luftangriff schwer beschädigt, wieder aufgebaut und von der Roten Armee genutzt.
Ab 1955 begann unter dem Namen "Undine" der Ausflugsverkehr auf der Warnow, bis 1961 wurde durch Touren zum Gedser Feuerschiff auch internationales Gewässer befahren. Die "Undine" war fast vier Jahrzehnte Touristenattraktion der Hansestadt.
Nach 1990 gehörte das Schiff einem Hamburger Unternehmer, der es "Kronprinz" nannte. Am 31. Dezember 1992 begann die Tragödie. Das Schiff lief auf dem Weg von Rostock nach Barth auf Grund und konnte aus technischen Gründen erst nach drei Jahren in die Barther Werft gebracht werden, wo es 1998 entkernt wurde. Ein Förderverein scheiterte dort mit dem Wiederaufbau, benannte sich in Förderverein "SOS Seebäderschiff Kronprinz Ex-Undine" um und zog nach Rostock. Auch das Schiff, inzwischen Eigentum des Vereins, wurde 2000 an die Warnow gebracht, wo es auf dem alten Gelände der Neptunwerft lag, bis es 2006 nach Dresden überführt wurde.
Und dort lag die UNDINE nun seitdem auf der Helling einer Spezialwerft. Und rostete vor sich hin. Denn schließlich gab es ja kein Geld für die Renovierung des Kahns. Zwar wurde immer mal wieder Unterstützung zugesagt, doch passiert ist nach alter Rostocker Sitte nichts. 2011 sollte dann Bewegung in die Angelegenheit kommen. Allerdings nicht um positiven Sinne, denn die Dresdner Werft meldete Insolvenz an. Der damit beauftragte Verwalter informierte den Rostocker Förderverein, dass dieser sich um die Rückführung des Dampfers bemühen und auch die ausstehenden Liegegebühren zahlen solle. Denn sonst sähe er sich gezwungen, die UNDINE als Insolvenzmasse zu verschrotten Daraufhin meldete der Förderverein (...richtig!) Insolvenz an. Nun schaltete sich der Oberbürgermeister ein. Schließlich sei der Erhalt des traditionsreichen Schiffes doch Ehrensache für die Stadt. Darüberhinaus warnte er die Dresdner Verantwortlichen vor dem Verschrotten und kündigte Klage für den gegenteiligen Fall an. Seitdem ist wohl nichts mehr passiert. Weder wurde Geld zum Abholen des Schiffes aufgebracht, noch ein zukünftiger Standort gefunden. Aber laut Augenzeugenberichten wurde die UNDINE vor kurzem noch immer auf dem Werftgelände in Dresden gesichtet.
Und so bleibt als Fazit unserer Geschichte: Und wenn sie nicht zerfallen sind, dann rosten sie noch heute.
CHRISTIAN RUTSATZ