… es ist Fußball-WM und 60 Prozent der Erwachsenen sind nicht interessiert. Unmöglich!? Stimmt!
Ende Mai gab es einen Doppel-Wahlsonntag. Es standen Volksvertreter zur Wahl. Für Europa und für die Bürgerschaft. Und was ist passiert? Nun, die Wahlbeteiligung lag bei etwa 41 Prozent. Das bedeutet, von 174.000 Wahlberechtigten waren über 100.000 nicht daran interessiert, ihre Stimme für die Kandidaten der Bürgerschaft abzugeben. Aus irgendwelchen Gründen wird die Quote der Europawahl von ebenfalls 41 Prozent beinahe als Erfolg gewertet. Aber ganz ehrlich: die Zahlen sind blamabel, vor allem auf kommunaler Ebene!
Es kann doch nicht sein, dass sich 100.000 Rostocker aus der Verantwortung für die Belange ihrer eigenen Stadt stehlen. Warum geht man denn nicht zur Wahl? Da kommt dann immer gleich der Erklärungsansatz mit der vorauseilenden Entschuldigung "Politikverdrossenheit". Die Argumentation "die da in ihrem Elfenbeinturm interessieren sich doch gar nicht für uns kleine Leute" zieht nicht. Und schon gar nicht bei Bürgerschaftswahlen! Was ist es also dann? Die Anreise? Nun, die Wahllokale liegen eigentlich so, dass man sie in weniger als 10 Minuten zu Fuß erreichen kann. Das Wetter? Die Sonne schien.
Was bleibt? Eine Mischung aus Faulheit, Bequemlichkeit und Desinteresse. Es können doch nicht 100.000 Rostocker noch ein Referat vorbereitet haben. Oder bei Oma gewesen sein. Oder Kiffer.
Kein Wunder, dass diese Stadt immer mehr den Bach runter geht! Mindestens 100.000 Leute interessieren sich nicht für das Theater oder Hansa oder was aus dem Stadthafen wird oder aus den Bibliotheken oder aus den Bäumen an den Straßen und in den Parks. Viel wichtiger ist doch, dass der Supermarkt mindestens bis um 22 Uhr auf hat. Oder dass es bei Saturn den 10000000-Zoll-Flat-Screen zur WM für unter 500 Mark gibt! Oder dass die wieder in dieser einen Tempo 50-Zone geblitzt haben, um so viele Leute wie möglich abzuzocken.
Rostock wäre soviel besser, wenn sich mal 100.000 Leute für ein Thema interessieren würden. Eins, das nicht mit dem eigenen Portemonnaie zu tun.
Aber zum Glück ist jetzt erstmal Fußball-WM! Da müssen jetzt so nichtige Dinge wie Kommunal- und überhaupt Politik hintanstehen. Mal sehen, welches Gesetz der Bundestag in 20sekündiger Lesung während des Viertelfinales mit deutscher Beteiligung durchwinkt. Ich wäre für die Wiedereinführung der Wahlpflicht und eine Extrasteuer auf Unterhaltungselektronik. Vielleicht brächte dies mehr Leute an die Wahlurnen und in die Kulturstätten unserer Republik.
Euer Carlo Gruber