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Christian Kuzio – Leben in Phasen
Mrz 16
"Sowas muss man halt machen zwischendurch", sagt Christian Kuzio und legt sich nochmal den Soundtrack des Zombie-Thrillers "Rage on Stage" auf das Mischpult. Da muss er nochmal drüber, sagt er. Obwohl die Premiere schon einen Monat her ist. Und ein Freundschaftsdienst war.
Kuzios schönster Platz in Rostock? Die Antwort kommt ehrlich und prompt: "Zu Hause auf der Couch." Nein, kein Witz. Bei seiner Frau und den beiden Kindern. So gut, so geil. Auf Platz zwei folgt sein Studio im Warnow-Valley. Dann erst der Strand. Aber dort, so sagt er, sei er natürlich viel zu wenig. Er muss nachdenken. "Das letzte Mal muss im Oktober gewesen sein."
Zwischendurch ist er viel unterwegs. In Regensburg am Jugendtheater ist der Name Kuzio dabei, sich zu einer Marke zu entwickeln. Seit die freie Regisseurin Maria-Elena Hackbarth dort die Stücke für die Jugend inszeniert, ist er als Musiker immer wieder in ihrem lose zusammengestellten Team dabei. Dann muggt er als Musiker im Stück mit auf der Bühne. Er muss dort bald wieder hin. Im April erlebt dort ein Jugendstück seine Uraufführung, das die Regisseurin selbst entwickeln wird: "I’m afraid of what you do in the name of your god" bringt Lessings Ringparabel auf die Bühne, so dass heutige medienaffine Kinder ab zwölf etwas mit dieser Botschaft anfangen können. Dazu sollte natürlich eine heutige Musik gehören. Wie das genau klingt, weiß er noch nicht. Das wird der Musikant entwickeln – zusammen mit den anderen. Sicher ist nur eins: Für Kuzio ist es wieder eine Gelegenheit, mit Klängen experimentieren zu können.
2007 hat er Maria-Elena Hackbarth in Baden-Baden kennengelernt, als er mit seinem Freund-Kollegen-Drummer Lorenz Liebold beim Südwestrundfunk die "Elektrodyssey" als Hörspiel aufnahm – ein Klangexperiment mit einer Geschichte, die sich mit den Jahren immer weiter verändert. Seine Band heißt "Die Reise" und die Musik nennt sich "Psychedelic Rock". Auch mit der Band "Zwei Paar Schuh" war er unterwegs – zusammen mit seinem ehemaligen HMT-Dozenten Wolfgang Schmiedt und den kanadischen Musikern Frédéric Lebrasseur und Martien Bélanger. Christian Kuzio bedient viele musikalische Sprachen und natürlich hat er keine Berührungsängste mit der digitalen Technik. Er arbeitet selbstverständlich mit Samplern und Loopern, mischte am Rechner auch die erste CD "AAA" der "Sailing Conductors" ab. Aber die Klänge erzeugt er lieber mit analoger Technik: Schlagzeug, Ukulele, irgendwelche herumliegenden Perkussionswerkzeuge … Kuzio macht mit allem Musik, was sich irgendwie anfassen lässt. Nur Gitarren gehören irgendwie immer dazu – elektrisch und akustisch: Die tschechische "Jolana" zum Beispiel. Oder eine Gitarre, wie sie der Genesis-Gitarrist Steve Hackett mal spielte und die Kuzio einer Musikerin in Paris abschwatzte. Oder die finnische Landola-Gitarre, die sich mit ihrem unreinen Charakter bei den Muggen immer ein wenig hervortun muss.
Und wo steht Kuzio selbst als Musiker? Wenn er sich mal nicht in einen Team einbringt, wenn er nur das macht, was er selbst will? Dann kommen Werke wie "Meditation für the Nation" (2006) heraus. Oder "Villa Laube" aus dem Jahr 2013, auf der er zeigt, dass er auch texten kann. Diese Platten liegen musikalisch meilenweit auseinander und legen die Vermutung nahe, dass der ach so sesshaft gewordene Christina Kuzio gar nicht stehen- und schon gar nicht sitzengeblieben ist. Er ist auf seinem Weg.
Dass er gelernt hat, den freischaffenden Weg zu gehen, verdankt er nicht zuletzt seinem Vater: Thomas Kuzio ist Glasmaler, sein Sohn ist den ganzen Weg mitgegangen – aus seiner Geburtsstadt Neubrandenburg runter nach Halle zum Studium, wieder hoch nach Demmin und noch ein Stück höher nach Rostock zum Studium. Mit Durststrecken, mit Vielseitigkeit, mit dem Gefühl für gute Gelegenheiten und der nötigen Gelassenheit.
Mit Steffen Schreier vom Volkstheater hat er begonnen, an Goethes "Reineke Fuchs" zu arbeiten. Im Mai ist Premiere und es ist müßig, schon jetzt etwas darüber zu verraten – noch bevor sie selbst wissen, wie sie es anlegen wollen, welche musikalischen Themen darunterlegen werden und welches Tier für den Musiker in Frage kommt. Kuzio weiß nur eins: "Es wird unvorstellbar grausam." Dann lacht er wieder.
Und was ist Rostock für ihn? Die einzige Möglichkeit, als Stadtmensch in Mecklenburg-Vorpommern bleiben zu können. "In diesem Land sind die Fassaden dünner und wackliger als im Rest des Landes", sagt Christian Kuzio. "Die Leute werden hier früher ehrlich."
FRANK SCHLÖSSER
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