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Report

DURCH RAUM UND ZEIT IN DER KTV

DURCH RAUM UND ZEIT IN DER KTV

Mai 10

Falls dieser Stadtteil eines eigenen Wappens bedürfte, sollten tierische Ausscheidungen, vor allem die von Hunden, auf keinen Fall zu kurz kommen. Wenn man vor 200 Jahren durch die noch nicht existente KTV spazierte, lief man auch damals schon Gefahr, sein Schuhwerk einzusauen. Zu jener Zeit befanden sich westlich des später namens stiftenden Kröpeliner Tors nur Bauernhöfe und Mühlen. Wer keine Ahnung hat, wo diese gestanden haben könnten, dem sei ein Ausflug in den den Lohmühlenweg und in die Windmühlenstraße empfohlen.

Später gesellten sich vereinzelte Familiensitze Rostocker Reeder mit großzügig angelegten Gärten dazu. Heute residiert der Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern in der letzten erhaltenen dieser Villen im Patriotischen Weg. Und auch eine Klinik entstand. Diese ist wirklich leicht in der Doberaner Straße zu finden.

Mit der Industrialisierung Rostocks durch die Entstehung von Werften und der Brauerei begann die Urbanisierung der heutigen KTV.

Für die vielen benötigten Arbeiter und deren Familien brauchte man Wohnraum, der innerhalb der Stadtmauern begrenzt und deshalb zu teuer war. So entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwischen den beiden Ausfallstraßen in Richtung Wismar und Bad Doberan ein Arbeiterviertel mit Mietskasernen. Apropos: Ebenfalls im 19. Jahrhundert hatte der Mecklenburgische Großherzog ein Füsilierregiment namens "Kaiser Wilhelm" mitsamt Kaserne und Stallungen in der noch nicht existenten KTV installiert. Standort war nördlich der Wismarschen Straße. Das Gelände und die Gebäude wechselten einige Male die Besitzer, jedoch nicht ihren Verwendungszweck. Erst nach dem Fall der Mauer, verbunden mit dem Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen, verlor das Areal seinen militärischen Charakter und fiel der Universität Rostock zu, die dort einen modernen Campus errichtete.
Doch zurück in die Gründerzeit. Die zwei- bis dreigeschossigen Häuser für die Arbeiterfamilien zeichneten sich zwar durch große Wohnungen, aber nicht jedoch durch allzu großen Komfort aus. Das heißt, eigentlich waren diese Häuser zum Zeitpunkt ihrer Errichtung schon ziemlich modern. Die Toiletten auf dem Hausflur, im Keller oder aber dem Hof waren im 19. Jahrhundert gang und gäbe. Anfang des 20. Jahrhunderts auch. In der KTV sogar bis zum 21. Jahrhundert.
Nicht nur Arbeiterfamilien, auch Beamte, Angestellte und Freiberufler zog es in die KTV, die schnell Rostocks bevölkerungsreichster Stadtteil wurde. Die Menschen, die hier wohnten, arbeiteten fast alle auch in der Nähe, sei es im Hafen, bei der Brauerei, auf der einen oder der anderen Werft. Die Leute im Viertel waren nicht reich und sie konnten es auch nicht werden, aber sie waren eben keine Habenichtse. Der emiritierte Pfarrer der Marienkirche, Jens Langer, der in der KTV aufwuchs, erinnert sich. "Wo ich groß geworden bin, war das eine einfache Gegend, aber ich würde sagen, von einer gewissen Noblesse. Es war einfach, aber gepflegt."
Und so ließen sich bald auch Handwerker und Kaufleute nieder, die wiederum Menschen Arbeit gaben. Bäcker, Glaser, Kohlenhändler, Fuhrbetriebe, Kolonialwarenhändler, Tischler, Uhrmacher ...
In weniger als 50 Jahren war ein neuer Stadtteil mit einem eigenständigen Charakter entstanden.
Bis zum 1. Weltkrieg ging es mit dem Viertel, wie mit der gesamten Wirtschaft im Kaiserreich bergauf. Klar, schließlich blühten die Werften auf und mit diesen alle direkt oder indirekt beteiligten Gewerbe und Gewerke. Ein gewisser Wohlstand machte sich auch in der KTV breit. Das lag daran, dass rund um den heutigen Doberaner Platz Bürgerhäuser gebaut wurden, schließlich war der Platz innerhalb der Stadtmauern begrenzt. Und wer Geld hatte und etwas auf sich hielt, wollte auch einen Garten hinterm Haus haben. Wie sehr sich doch die Wünsche gleichen.

Auch der technische Fortschritt machte vor dem Kröpeliner Tor nicht halt. Seit 1911 durchfuhren zwei Straßenbahnlinien die KTV.

Das Ende des 1. Weltkrieges, die Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise – Jahre des Darbens beutelten auch die Menschen in der KTV. Mit der Machtergreifung der Nazis begann mal wieder ein Aufschwung. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Vorstadt zwar noch nicht fertig, aber wer mit einer Zeitmaschine in die angeblich so "Goldenen Zwanziger" reisen würde, dürfte sich mit seinen heutigen Ortskenntnissen nicht verlaufen. Anfang der 30er Jahre wurde dann auch das Gebiet zwischen Lindenpark (Alter Friedhof), Campus Ulmenstraße (Kaserne) und Elisabethwiese städteplanerisch erschlossen und bebaut.
Die Werften hatten wieder Arbeit und die Heinkel-Flugzeugwerke entstanden in Marienehe. Wer dort keinen Job fand, hatte doch wenigstens gute Karten bei einem Zulieferer unterzukommen. Nun, die ganze Pracht dauerte nicht sehr lange.
Der Krieg begann, die Männer mussten an die Front und die Frauen hatten in den Fabriken und anschließend zuhause ihren Mann zu stehen. Die anglo-amerikanischen Bomber kündeten dann vom sich abzeichnenden Ende des Dritten Reiches und machten dabei auch keinen Bogen um die KTV.
Nach dem Krieg verlief die Entwicklung der KTV kurios. Einerseits wurden Kirchen gesprengt (die Christuskirche am Schröderplatz), andererseits wurden neue eingeweiht (die Neuapostolische Kirche in der Ulmenstraße und das Evangelisch-Freikirchliche Gemeindezentrum in der Margaretenstraße, beide in den 60ern).
Überall entstanden Volkseigene Betriebe und Produktionsgenossenschaften, doch vor allem in der KTV konnten zahlreiche Kaufleute und Händler ihre Firmen privat weiter führen. Viele von diesen haben die DDR überlebt und ihre Namen haben bis heute einen guten Klang: Korbwaren Falck, Uhrmacher Höpfner und Bekropat, die Fleischereien Ahrndt und Seibt, Foto Baarck, Fahrrad Jordan, Bäckerei Kentzler und Pelzhaus Möller. Kürschnermeister Peter Möller erzählt schmunzelnd, wie manchmal Pelzjacken für Damen der besseren sozialistischen Gesellschaft mithilfe von ein Paar Gläsern Cognac immer mehr Zustimmung bei der sonst recht kritischen Kundschaft fanden.  Hier konnte so mancher erwerben, was die sozialistische Mangelwirtschaft nicht für die ganze Bevölkerung produzierte.
Doch der Sozialismus produzierte dafür ein anderes Kuriosum. Während andere Stadtteile wie die Südstadt, Reutershagen, der Nordosten und der Nordwesten neu entstanden oder aufblühten, gab man große Teile der KTV scheinbar dem Verfall preis. Das Areal zwischen dem Saar- und dem Margaretenplatz, zwischen Park- und Maßmannstraße, zwischen Brauerei und Hansatheater wurde Ende der 1960er anscheinend sich selbst überlassen. Spätestens seit Beginn der 80er Jahre war diese Gegend nicht mehr wirklich familientauglich.

Viele der unsanierten Häuser wurden von sozialen Randgruppen wie "Rockern, Trinkern, Ex-Knackis, Arbeitsscheuen und Tagedieben" bewohnt.

Wer Familie und Arbeit hatte, wohnte längst in den modernen Plattensiedlungen.
Die KTV war ein "Nachtjackenviertel" , aber das war sie eigentlich schon immer. Schon 1790 gab es an der "Wismarschen Landstraße" ein Gasthaus "Zum Tannenbaum". Warum dies erwähnt wird? Heute befindet sich eine Bar namens "BarKE" an der Südseite des Doberaner Platzes just an dieser Stelle, an der man also seit 220 Jahren (nicht ganz) ununterbrochen sein Rostocker Bier schlürfen kann.
Da die Brauerei quasi als ein Grundstein für die Bebauung der KTV fungierte, wundert es sicher wenig, dass schon früh zahlreiche Gasthäuser und Kneipen in dieser Gegend entstanden. Ein besonders beliebtes Ausflugslokal war und ist seit 1864 Steinbeck's Keller, später auch bekannt als Mahn & Ohlerichs Keller, Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, heute Peter-Weiss-Haus. Andere Kneipen, Bars und Gasthäuser wie "Zum Greif", "Schwedt", "Trocadero" existierten teilweise schon vor dem 1. Weltkrieg, waren zu DDR-Zeiten staatlich geduldete Amüsierbetriebe, wo so mancher subversive Gedanke in eine Bierfahne gewandet wurde. Hier konnte man auch nach der Sperrstunde noch an "Wein, Weib und Gesang" geraten und sicher wurde hier so manche Ehe gestiftet und – gebrochen.
Die Wendeereignisse 1989 in Rostock wurden sicher auch zu einem guten Teil aus der KTV befeuert. Und doch brauchte es einige Jahre, bis die KTV einen Aufschwung nahm. Wie es Anfang der 90er Jahre hier aussah, davon kann man sich ein realistisches Bild in der NDR-Reportage "Rostock ganz unten" machen. Hier kamen Alteingesessene, Penner, Geschäftsleute und Geschäftemacher zu Wort. Dieses beeindruckende Zeitzeugnis ist bei www.myvideo.de zu finden.
Dann allerdings ging es ziemlich schnell. Rostock wurde durch neue und wiederbelebte (teilweise inzwischen wieder eingeschläferte) Fakultäten eine attraktive Stadt zum Studieren. Annehmlichkeiten wie kurze Wege zwischen den Uni-Gebäuden lockten ebenso wie ein Studium dort, wo andere Urlaub machen und relativ günstige Lebenshaltungskosten.

Ganze Regimenter von Studenten fielen damals in die kaum sanierte KTV ein.

Die Mieten waren günstig, Kneipen und die Uni vor der Haustür – ganz im Ernst: was braucht man mehr als Student. Und nicht nur als Student.
In den letzten 15 Jahren hat sich das Bild der Kröpeliner Tor-Vorstadt gewaltig verändert: der Uni-Campus in der Ulmenstraße verbindet architektonisch die alte Zeit mit der Moderne und versinnbildlicht so auch den Wandel der KTV. Wer vor hundert Jahren hier lebte, würde staunen und sich freuen, denn so zeitgemäß das Viertel auch erscheint, sein Gesicht hat es zwar verändert, aber seinen Charakter nicht.
War die KTV vor ein paar Jahren noch fast ausschließlich ein "Studentenviertel", hat sich auch dies heute etwas gewandelt. Man könnte es  ein "(Ex-)Studentenviertel" nennen. Viele der heutigen Bewohner wohnten schon zu ihren Uni-Zeiten hier, haben inzwischen Familie und sahen keinen Grund, die KTV zu verlassen. Warum auch? Hier gibt es Wohnraum für alle Altersgruppen und Lebenslagen, Kindertagesstätten und Senioreneinrichtungen, Kneipen und Restaurants, Kino, Theater, Supermärkte für jeden Geldbeutel, Diskos, Spätverkäufe, einen Park und die skurrilste Postfiliale dieser Hemisphäre. Gute Gründe für immer mehr (Neu-)Rostocker, in das Gebiet zwischen Kröpeliner Tor, Werftdreieck und Uni-Campus zu ziehen.
Um für immer hier zu bleiben, brauchte es nur ein paar Geschäfte mehr ... und viele Hundegeschäfte weniger!

von CHRISTIAN RUTSATZ


1 Kommentar zu „DURCH RAUM UND ZEIT IN DER KTV”


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