Gerne würden wir mal bei den Kollegen von "Rostock delüxe" Mäuschen spielen, um herauszufinden, wie diese einerseits Prominenz und Glamour definieren, andererseits trotzdem ihr Hochglanzprodukt vollkriegen und drittens genügend Leute dazu bringen, dieses Magazin zu erwerben.
Und da haben wir dann auch den Indikator für Prominenz: Wer in der "Rostock delüxe" drin steht oder diese umsonst zugestellt bekommt, der hat's geschafft. Er oder sie gehört zu den Schönen oder Reichen oder Mächtigen oder Klugen oder Adligen oder Sportlichen. Diese Dinge schließen sich natürlich nicht gegenseitig aus, aber sein wir doch ehrlich, alles gute ist nie beieinander.
Recht gut beieinander ist seit Jahr und Tag Alex Czerwinski.
Wer tatsächlich noch nie von ihm gehört hat, müsste ihn aber schon mal im Adamskostüm am Werbebanner gegenüber vom Speicher gesehen haben.
Wir nehmen den Start der Football-Saison in der Regional-Liga zum Anlass, Alex Czerwinski vorzustellen.
Um über Köpfen schwebenden Fragezeichen vorzubeugen, JA, es geht um Sumo-Alex und JA, der Riesenkerl spielt jetzt Football. Genau genommen tut er das schon seit drei Jahren.
Als gemeldet wurde, dass sich der Rostocker Sumo-Kämpfer den Baltic Blue Stars (so hießen die Griffins früher) angeschlossen hätte, konnte man vermuten, es handele sich um einen Werbe-Gag zugunsten der lokalen American Football-Gemeinde. Doch bald zeigte sich, dass es beide Seiten ernst meinten. "Die Vorbereitung war so ziemlich das härteste Training meines Lebens", urteilt Alex noch heute über seinen Einstieg, "Aber da ich Adrenalinjunkie bin, begann ich bei der ganzen Schinderei, Riesenspaß zu entwickeln. Man muss ein bisschen kaputt sein, um 16 bis 18 Stunden am Tag zu trainieren. Hinzu kam, dass dieser Sport komplettes Neuland für mich bedeutete."
Zu diesem Zeitpunkt hatte Alex schon eine bewegte Sportlerkarriere hinter sich. Judo, Sumo-Ringen und Free Fight.
Zum Sport kam der "kleine" Alexander schon fast natürlich durch seine Eltern. Die Mutter war Handballspielerin und der Vater brachte es im Turmspringen zu DDR-Meisterehren. In der Kombination zeichnete sich ein sportlicher Weg für den Sohn zwar schon ab, doch die Richtung war nicht unbedingt erwartungsgemäß. "Meine Familie hat damals auf dem Land gelebt und als wir nach Rostock zogen, hatten es mein Bruder und ich nicht grade leicht, Fuß zu fassen. In der Schule wurden wir als Landeier gehänselt und öfter verdroschen. Natürlich war diese Situation frustrierend. Also beschloss unser Vater, dass wir zum Judo gehen sollten."
Die Gründe für diesen Sport liegen auf der Hand. Natürlich sollten die Jungs lernen, sich zu wehren. Aber mindestens genauso wichtig sind Selbstdisziplinierung und das Einhalten von Regeln. Beim Judo zeigte sich auch schnell das vom Turmspringer-Vater ererbte Koordinationstalent, dass sich noch oft als hilfreich erweisen sollte. Alex trainierte und kämpfte zunächst für die HSG Rostock und kam als Teenager an die Kinder- und Jugendsportschule in Frankfurt/Oder. Zahlreiche Medaillen hamsterte der Judoka bei nationalen und internationalen Wettkämpfen ein, bis er mit 17 Jahren von der KJS abging.
Nun begann für Alex eine wilde Zeit. Er wurde Skinhead. "Dies war sicher keine rationale Entscheidung. In der DDR gab es viele Arten, Protest gegen das System zu zeigen. Skinhead zu sein, war eine, Gruftie oder Punk zu sein, andere Formen, sich gegen die DDR aufzulehnen. Ich habe damals sicher Dinge getan, auf die ich nicht gerade stolz bin. Irgendwann wurde mir klar, dass meine Entscheidung, Skinhead zu werden, komplett der Prägung durch mein Elternhaus widersprach. Und auch als Sportler hatte ich gelernt, dass die Hautfarbe und die Augenform kein Indiz dafür sind, ob es sich sich um einen guten oder schlechten Menschen. Die prozentuale Anzahl der A...löcher ist wahrscheinlich in jedem Volk etwa gleich groß. Also entschloss ich mich, aus der Szene auszusteigen und einen Cut zu machen." Nun, letzteres war Alex sicher auch vorher schon gelungen. Wichtig war aber vor allem, dass ihm der Ausstieg aus der rechten Szene gelang.
Nun kümmerte er sich erstmal um Berufliches und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, die ihm heute bei der Bewirtschaftung von zwei Tankstellen, die er mit seinem Bruder führt, vonnützen ist.
Doch so richtig wollte sich Alex nicht mit dem Ende aller sportlichen Ambitionen abfinden.
So kam er zum Sumo-Ringen. Das war 1998. Schon ein Jahr später stellten sich erste Erfolge ein. Es folgten Podiumsplatzierungen bei internationalen Meisterschaften und im Jahr 2000 tatsächlich der Titel mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften in Sao Paolo!
Mit Anfang 30 hatte er sich den Jugendtraum vom WM-Titel erfüllt. Aufgrund seiner spektakulären Erscheinung erregte Alex natürlich Aufmerksamkeit: Riesenkerl, deutscher Weltmeister in so etwas exotischem wie Sumo und überhaupt nicht auf den Mund gefallen! Alex wurde ins TV eingeladen, focht rhetorisch eine starke Klinge und bekam schnell erste Filmrollen.
Nun, den strahlenden Helden durfte er bisher noch nicht spielen, dafür aber mit renommierten Schauspielern wie Ralf Richter und Wotan Möhring vor der Kamera stehen.
Alex' aktuelle Filmprojekte heißen "Der Schatten" und "70 – Wenn das Blut kocht" und er ist mal wieder der Bad Boy, doch das macht ihm nichts aus. "Ich mag diese Rollen, weil die Darstellung des Bösewichts schauspielerisch die größere Herausforderung ist."
Über private Situationen möchte Alex nicht ins Detail gehen, aber sein Vorbild ist Sean Connery, der zeige, dass Männer nicht älter, sondern nur besser würden. Weiter erfahren wir, dass Czerwinski dank mehrmaliger Aufenthalte in Japan Buddhist ist und schockiert war, als er die Bilder der Katastrophen-Triplette sah. "Ich war eine Zeitlang in Japan bekannter als hier und habe dort gute Freunde gewonnen. Deshalb berührt es mich natürlich, wenn so etwas passiert und man um Freunde und Bekannte bangt."
Wer Rostocks gewaltigsten Promi live und in Action erleben will, sollte die Heimspiele der Griffins besuchen. Beim Rostocker Football Club wird Alex im Defensive Team spielen und als Nose Tackle den gegnerischen Quarterback attackieren. Alex reizt der Team-Gedanke am Football. "Man gewinnt und verliert immer gemeinsam. Dies war nach langen Jahren als Individualsportler eine große Umstellung für mich."
Die Art und Weise, wie Alex Czerwinski über das Training und das Mannschaftsgefühl bei den Griffins spricht, zeigt, dass es ihm ernst ist und dass er in den nächsten Jahren noch etwas erreichen will. Um dieses Ziel zu erreichen, plant Alex seine Zukunft in Rostock. "Ich bin durch den Sport und die Filmerei viel herumgekommen, aber wenn ich eines bin, dann mit Leib und Seele Rostocker. Ein Promi bin ich nicht, aber ich denke, die Leute hier kennen mich. Das freut mich."
Gemeinsam mit den Griffins unterstützt Alex Czerwinski die Stiftung Harmonia-Tuxon und ist seit neuestem Schirmherr eines Anti-Rassismus-Projektes am Gymnasium Evershagen.
CHRISTIAN RUTSATZ