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Umland

Die Sache mit dem Klang – zu Besuch im Geigenhimmel

Die Sache mit dem Klang – zu Besuch im Geigenhimmel

Nov 10

Es ist ein sonniger Herbsttag im verschlafenen Bad Doberan. Halb zehn öffnen allmählich die Läden und die Frage nach der Geigenbauwerkstatt wird umgehend von den ersten Passanten beantwortet. Immer den Mollischienen folgen und dann gegenüber vom Bäcker durch die kleine Gasse gehen sollen wir. Es wird noch ruhiger beim Verlassen der kleinen Straße und wir gelangen in den sogenannten Alexandrinenhof, ein Brunnen plätschert vor einem Café und der kleine Hinterhof führt uns direkt zu der Werkstatt von Frau Christine Steidler. Früher beherbergten die Häuser hier Speicher und die Werkstatt war einmal ein Pferdestall. Der Hof markierte die Grenze zu dem eher ärmlichen Viertel Doberans, fernab von den großen prächtigen Stadtvillen.

Frau Steidler ist eine freundliche Frau Anfang dreißig. Sehr ruhig und zurückhaltend beginnt sie, von ihrer wirklich besonderen beruflichen Laufbahn zu erzählen. Akustik war ein Fach, welches die gelernte Geigenbauerin in ihrer Ausbildung belegte und in der ruhigen Stille des Doberaner Hinterhofes, in diesem alten Haus mit Holzbalken, klingt Frau Steidlers leise Stimme trotzdem druckvoll. Schall ist im Grunde nur schwingende Luft aber ein Fachmann weiß, diese eben gekonnt zu beeinflussen.

Mit sieben Jahren lernte sie Geige spielen und musste einige Jahre später wegen Schnarrgeräuschen zum Geigenbauer. Dieser brachte sie durch eine einfache Nachfrage dann auf eine Idee, die vorher nie zur Debatte stand: "Möchtest du nicht Geigenbauerin werden?" Von dieser Idee beseelt, begann die Sachsen-Anhaltinerin in Klingenthal 1998 ihre Ausbildung zum Gesellen im Geigenbau. Im Vogtland gibt es den sogenannten "Musikwinkel". Hier werden alle Orchesterinstrumente gebaut. Schon zu DDR-Zeiten waren die Orte Klingenthal und Markneukirchen berühmt wie sonst nur italienische Orte in diesem Geschäft. Jährlich wurden aus diesem Gebiet etwa 300.000 Saiteninstrumente in die Welt exportiert. Seit den 80er Jahren gibt es aber auch Massenware aus Südostasien, die den Markt im Vogtland natürlich enorm verkleinerte. Aber noch immer gibt es in Klingenthal und in Mittenwald deutschlandweit die einzigen beiden Berufsfachschulen für Geigenbauer. Um nicht in einem Angestelltenverhältnis zu enden, folgte für Frau Steidler der Besuch der Fachhochschule für Musikinstrumentenbau in Markneukirchen. Parallel hierzu belegte sie zudem einen Meisterkurs. Seit 2005 ist die Geigenbauerin nun also auch Geigenbaumeisterin und Diplomdesignerin (FH) für Streichinstrumente. Das praktische Studium eröffnete eine riesige Bandbreite an Fächern, die von akustischen über musikgeschichtliche Grundlagen, bis hin zu einer Designausbildung führten. Man muss alles beherrschen, die Farblehre, Formgestaltung, Ästhetik, Werkstoffkunde, Holzarten, Lacke und natürlich Konstruktion.

Die Mutter von zwei Kindern lebt in Kühlungsborn und ist seit diesem Sommer nun im Alexandrinenhof in ihrer eigenen Werkstatt tätig. Es ist fast alles Handarbeit. Frau Steidler benutzt Stemmeisen und kleine Hobel. Etwa 200 Handwerksstunden benötigt sie für eine kleine Kiste aus Holz, mit Wirbeln, Griffbrett und etwas Draht. Sie repariert in den meisten Fällen kaputte Geigen, aber auch Bratschen und Cellos. Wenn übrigens ein Bogen kaputt ist, dann wird er immer extra zu einem Bogenbauer geschickt, das ist ein separater Beruf. Viele Kunden wissen das nicht, aber auch ein Bogenbauer muss sein Handwerk mindestens drei Jahre lernen.

Im Geigenbau gibt es verschiedene Modelle, die sich nach dem jeweiligen Erbauer richten. Jeder kennt den Italiener Antonio Stradivari. Die unterschiedlichen Formen tragen dann oft den Namen des Besitzers, z.B. Medici. Die Etiketten im Inneren der Geigen, die "Geigenzettel", tragen weltweit gerne Aufschriften, die mit "Stradivarius" beginnen und mit "anno 1700" enden. In den meisten Fällen sind sie natürlich Fälschungen. Es gibt unzählige Nachbauten und es ist auch kein Geheimnis, dass die Brüder Francesco und Omobono übrig gebliebene Zettel ihres Vaters in die eigenen Kreationen klebten. Nur mit sogenannten dendrochronologischen Untersuchungen könnte man im Zweifel heraus finden, von wann eine Geige ist und ob ihr Zertifikat echt oder unecht ist. Dabei werden die Jahrringe ausgemessen und somit kann beispielsweise das Alter des Holzes bestimmt werden. Auch Frau Steidler hat ihr eigenes Geigenmodell. Es heißt, natürlich, "Christine Steidler" und sie hat es so gebaut, dass ihr der Grundcharakter gefällt. Wie bei jedem anderen Instrument hat man sein eigenes Klangideal und entscheidet nach Geschmack. In Anhängigkeit von den Materialien und Verzierungen und davon, ob alles Handarbeit ist, kostet eine Geige in Bad Doberan etwa 2.000 bis 12.000 Euro. Baut man eine Schnecke beispielsweise selbst, indem man alles fein säuberlich heraus arbeitet, so dauert das alleine ein bis zwei Tage. Eine Fräse ist in ein paar Minuten damit fertig. Handarbeitsgeigen sind damit immer teurer als Manufakturgeigen, an denen der eine dieses und der nächste jenes angebaut hat. Eine Geige besteht aus etwa 90 Einzelteilen, allein der Zargenkranz, auf dem Boden und Decke befestigt werden, setzt sich aus 24 Teilen zusammen.

Verwendet wird spezielles Tonholz, das im Idealfall 30 Jahre abgelagert ist. Möglichst Bergahorn und Fichte werden verbaut. "Eine Fichte aus dem Hochgebirge ist am besten", erklärt Frau Steidler, "je ungünstiger die Wachstumsbedingungen waren, um so besser ist das Holz". Die schwarzen Teile einer guten Geige bestehen aus Ebenholz. Jeder Stamm hat seine Eigenarten, nie sind zwei Stücke Holz absolut gleich, wie es eben nichts in der Natur gibt, das je identisch wäre. Aber nicht nur Handwerkskunst und Material beeinflussen den letztlichen Klang, auch auf den Raum und den Geigenspieler kommt es an. "Die Geige klingt ja gar nicht so schlecht, wie wir immer dachten. Wie machen Sie das?", bekam Frau Steidler einmal von Kunden zu hören, als sie die vermeintlich störrische Geige anspielte.

Niemand weiß heutzutage genau, wie damals eine echte Stradivari klang. Alle Modelle sind sowieso im Nachhinein umgebaut worden. Im Originalzustand gibt es weltweit nur noch zwei. Die anderen bekamen längere Griffbretter, denn spätestens ab Paganini wurde in höheren Lagen gespielt. Egal wie gut oder schlecht eine Geige auch sein mag, sie muss in jedem Fall eingespielt sein. Geigen rosten regelrecht ein, wenn sie nicht in Benutzung sind. Beim Spielen fängt nämlich auch das Holz an zu schwingen. Es schwingt sich ein und der Klang verändert sich. Hervorgerufen wird dies durch die Feuchtigkeitsverschiebung innerhalb des Holzes. Aber auch der Lack spielt eine Rolle. "Grundsätzlich beeinflusst Lack den Klang immer negativ, er wird dumpfer", sagt Steidler. "Erst nach zwei Jahren ist so eine Lackveränderung abgeschlossen, nach zehn Jahren dann irgendwie endgültig." Ihren Lack mischt sie selbst, je nachdem, wie der Härtegrad sein soll. Der benutzte Leim ist Knochenleim und hat den Vorteil, dass man ihn zu Reparaturzwecken wieder aufknacken und problemlos neu verleimen kann. Bei Geigen aus China ist genau das nicht möglich, da beim Öffnen des festen Holzleimes immer etwas kaputt gehen würde und man somit das Innere praktisch nicht bearbeiten kann.

Wenn sie nicht gerade Zubehör wie Saiten, Schulterstützen, Etuis oder Kolophonium verkauft oder mit Wirbelseife eben jene behandelt, dann restauriert Frau Steidler am liebsten alte Modelle. "Am schönsten ist es, aus so einer richtig alten Kiste, die völlig verdreckt ist und vom Holzwurm zerfressen wurde, wieder ein gutes Instrument herzustellen. Das ist fast so aufregend, wie eine neu gebaute Geige das erste Mal zu spielen. In jedem Fall ist so ein Instrument etwas Organisches und durch das Zusammenspiel mit einem Menschen entsteht in jedem Fall eine Art Beziehung, die sehr von beiden Charakteren abhängig ist. Es gibt Geigen, die lassen sich leicht spielen und klingen immer gleich. Andere Instrumente machen alles mit, was der Mensch mit ihnen anstellt. Sie sind sensibel und reagieren auf die kleinsten Dinge. Das macht sie meistens für Anfänger unbespielbar, aber letztendlich ist so ein Instrument dann eben auch eine gute Geige."


Gesine Schuer

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