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Fischer Peters' größter Fang - ROSTOCK HERITAGE - 0381-Magazin
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Fischer Peters' größter Fang

Fischer Peters' größter Fang

Apr 24
Für die ehemaligen Lehrer Lutz Müller und Steffen Fleischer zählen Geschichten von gefallenen Soldaten aus dem 2. Weltkrieg schon lange zur Freizeitbeschäftigung  – ob in Schulprojekt-AGs oder bei Arbeiten für die Kriegsgräberfürsorge von Verdun bis Wolgograd.

Ein besonderes Ereignis ihrer leidenschaftlichen Recherchearbeit jährt sich am 11. April 2024 – die Rettung von John Moses Russell. Staff Sergeant John Moses Russell, Funker eines B17-Bombers der US Air Force, erlebt am 11. April 1944 seinen ersten Einsatz, bei dem sein Flugzeug über Warnemünde abgeschossen wird. Der US-Bomber fängt Feuer und Russell springt mit dem Fallschirm ab. Er landet in der Ostsee und verliert das Bewusstsein. Der Warnemünder Fischer Peters findet ihn zufällig und rettet ihm das Leben.

0381-MAGAZIN: Wie sind Sie auf diese Rettungstat aufmerksam geworden?
Lutz Müller: Wir hatten uns um die Jahre 2011/12 mit unterschiedlichen Todesfällen von US-Soldaten aus dem 2. Weltkrieg beschäftigt. Die Toten waren meist auf Friedhöfen in Mecklenburg-Vorpommern beigesetzt und wir haben zu dem Zeitpunkt versucht, den Toten anhand des Namens oder der Erkennungsmarke ihren Stammbaum wiederzufinden. Bei einem Projekt in Kessin bei Rostock ist es uns auch gelungen, vier beigesetzten US-Piloten wieder eine Geschichte zu geben. An der Schule haben wir versucht, die Geschichte über die abgeschossenen Soldaten nachzukonstruieren.
Das sorgte nach einer Präsentation medial für Interesse und auch politisch traten wir so etwas in Erscheinung – wurden geehrt und zu Veranstaltungen eingeladen.
Mich interessierte der Fakt, wo die Soldaten damals nach der Gefangennahme hingebracht wurden. Ich war der Annahme, dass sie nach Barth ins Stalag Luft 1 Gefangenenlager kamen – zu dem Zeitpunkt das größte Lager in der Nähe. Ich bin kurz nach Barth gefahren in der Hoffnung, dort mehr Informationen zu finden. Nach der örtlichen Kontaktaufnahme sprach mich die Chefin des Kommissionszentrums (Grundlagenforschung) an, ob ich nicht die Geschichte von dem Warnemünder Fischer kenne. Davon hatte ich noch nie gehört. Ich bekam Namen und Adresse von dem Fischer – „Friedrich Franz Peters“. „Peters“ kennen wir. Die Tochter war unsere Schülerin. Dann ging es recht schnell und der Kontakt mit Erwin Peters war hergestellt. Erwin Peters ist der Sohn von Friedrich Franz Peters. Jener hatte am 11. April 1944 den amerikanischen Soldaten aus der Ostsee gefischt. Friedrich Franz Peters war zu dem Zeitpunkt schon verstorben, hatte aber damals die Rettungstat zu Papier gebracht und seinem Sohn Erwin die Dokumente hinterlassen.
Steffen Fleischer: Jetzt hatten wir den Namen des US-Soldaten und ein Datum – die Recherche ging los. Lutz saß nächtelang vor dem Computer und wälzte Unterlagen, um herauszufinden, was mit dem Soldaten geschehen ist. Wir haben dann tatsächlich Informationen zu der Einheit und dem Flieger mit Angriffsziel gefunden.
Am 11.4.1944 sollte Poznan/Posen angegriffen werden. Der Himmel war bedeckt und eine Bombardierung nicht möglich. Als zweites Angriffsziel war Rostock festgelegt. Die Einheit mit etwa 100 Bombern ist auf dem Rückweg nach England über Rostock geflogen und hat dort ihr Ladung abgeworfen. Bei dem Angriff wurden die Bomber auch von deutscher Flak und Abfangjägern angegriffen. Es gab große Verluste und viele Bomber wurden abgeschossen und sind in die Ostsee gestürzt. Nicht nur direkt vor Rostock/Warnemünde, auch bis nach Bad Doberan/Neubukow. Es gab hierbei Überlebende und Tote. „Unser“ Russell, Funker im Bomber, bekam einen Treffer von einem deutschen Jagdflugzeug in den Funkraum verpasst, der Funkraum ging in Flammen auf. Das Feuer breitete sich schnell bis ins Heck der Maschine aus und zog somit durchs Flugzeug. Alle Soldaten, die im hinteren Teil des Flugzeugs saßen, sind abgesprungen – bis auf zwei. Vorne saßen noch vier Mann, allesamt Offiziere. Die Maschine konnte aber trotz des Treffers noch relativ stabil gehalten werden und flog über die Ostsee weiter. Am Strand von Wustrow gelang ihnen anschließend eine Bruchlandung. Die vier verbliebenden Offiziere waren leicht verletzt, kamen ins Kriegsgefangenenlager und haben alle überlebt. Sie sind weit über 80 bis 90 Jahre alt geworden.
Russell war nun einer der vier, die abgesprungen sind. Zwei von denen, die absprangen, sind wahrscheinlich in der Ostsee ertrunken. Zwei blieben an der Oberfläche. Das Ganze ist von Warnemünder Fischern beobachtet worden, auch von unserem Fischer Friedrich Franz Peters. Der Flieger zog eine Rauchfahne hinter sich her und Peters konnte die Absprünge beobachten.
Fischer Peters diente selber als Soldat im 1. Weltkrieg und wurde dort schwer verwundet. Eine ihm unbekannte Person rettete ihm damals das Leben. Vermutlich ist es diese eigene Geschichte neben religiösen Gründen, die dazu geführt haben, den US-Soldaten zu retten. Von seinem Kutter aus hatte er etwas weit entfernt im Wasser schwimmen gesehen und steuerte drauf zu. Er entdeckt den US-Soldaten. Unter viel Mühe konnte er ihn schließlich in sein kleines Boot ziehen. Ein großer Kraftakt für den Fischer – man muss sich nur vorstellen, wie es ist, einen Menschen alleine aus dem Wasser zu ziehen, mit vollgesogener Kleidung. Fischer Peters hat schlussendlich ein dickes Seil um den US-Soldaten gelegt und ihn damit ins Boot gehievt. Der US-Soldat war zu dem Zeitpunkt ca. zwei Stunden in der Ostsee und bereits ohnmächtig geworden. Peters zog ihm nach der Rettung im Boot die Schwimmweste aus und versuchte ein Lebenszeichen von ihm zu bekommen. Die Lippen fingen an zu zittern und sein Lebenslicht war noch nicht erloschen. Jetzt ging es volle Kraft zurück nach Warnemünde – 17 Seemeilen West, Nord-West war die Position, an der Russell gefunden wurde. Je näher sich das Boot dem Hafen von Warnemünde nährte, desto deutlicher wurden die Lebenszeichen von Russell. Etwa auf Höhe der Mole richtet sich Russell auf, zog Peters an sich heran und versuchte, ihn zu umarmen. Er brachte keinen Ton heraus, aber wollte sich scheinbar bei seinem Retter bedanken. Gleich nach Ankunft im Hafen musste Fischer Peters Russell den Beamten des Zolls übergeben. Früher gab es direkt im Hafen, wo sich heute der Yachthafen befindet, ein kleines Zollhaus, in der die Zollbeamten arbeiteten. Das Zollhaus war zu dem Zeitpunkt beheizt und Russell wurde auf die Pritsche gelegt, um seine Lebensgeister zu wecken.

0381-MAGAZIN: Wie muss man diese Rettungstat Anfang 1944 von Fischer Peters einordnen?
Steffen Fleischer: Er wurde gleich nach Ankunft von den Zöllnern unfreundlich empfangen und wegen seiner „undeutschen“ Tat verachtet.
Heute würde man sagen: Zivilcourage. Peters musste aber nichts fürchten. Es ist nie etwas überliefert und so ging er seinem Tagesgeschäft weiter nach. Russell wurde in ein Durchgangslager in der Nähe von Frankfurt transportiert. Dort wurden alliierte gefangene Soldaten gesammelt und verhört. Nach dem Durchgangslager ging es für ihn nach Österreich ins Stalag Luft 7 Lager. Später zurück in die USA.

0381-MAGAZIN: Hatte Fischer Peters Informationen über den Verbleib von Russell?
Steffen Fleischer: Für Peters war dieses Ereignis immer präsent. Die Frage, was mit dem geretteten US-Piloten passiert ist, hat ihn das gesamte Leben beschäftigt. Er hat es nie erfahren.
In der Zwischenzeit hatten wir einen amerikanischen Partner gefunden, der sich, ähnlich wie wir, in seiner Freizeit mit dem Thema befasst. Ihm hat Lutz berichtet, was wir über Russell herausgefunden haben – mit der Frage, ob derjenige noch lebt. Unser Partner konnte nach etwas Suche herausfinden, dass Russell noch am Leben ist und in Kalifornien lebt. Er hat ganz vorsichtig über die Tochter den Kontakt aufgenommen. So sollte die Information anmoderiert werden. Es lag dann nahe, dass es zu einer Begegnung zwischen Russell und dem Sohn vom Retter – Erwin Peters – kommen sollte. Kurze Zeit später machte sich Erwin Peters mit seiner Tochter vom Frankfurt Flughafen auf aus, um Russell in den USA zu treffen. Russell hatte all die Jahre keine Erinnerungen mehr, was in dem Zeitraum vom Verlassen des Flugzeugs bis zur Besinnung im Warenmünder Zollhaus passiert war und konnte jetzt endlich durch das Treffen erfahren, wie seine Rettung vonstattengegangen war. Das fehlende Puzzleteil wurde gefunden.

0381-MAGAZIN: Sind ähnliche Rettungstaten von dem Tag bekannt?
Lutz Müller: Am selben Tag soll ein Fischer mit dem Namen Karl Albrecht auch einen Soldaten herausgefischt haben und auch an der Zollbude abgegeben haben. Leider konnten wir dazu nichts finden. Es gab Gerüchte, er hätte sich in den Westen abgesetzt. Hier sind wir noch sehr interessiert an Informationen über die Rettung oder über einen Kontakt.

Wer noch etwas mehr über die spannende Rettungsgeschichte erfahren möchten, kann sich im Heimatmuseum Warnemünde einen kleinen Film dazu anschauen. 

HENRYK JANZEN

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