RONNY GERNHART
RONNY GERNHARTS VIERERKETTE
Das Spiel gegen die Lederhosen war kaum abgepfiffen, da stürmte alles los: die Münchener beeilten sich, weil sie ihren Flieger kriegen wollten, unsere Jungs, weil sie alle das Trikot des Weltmeisters mit der lockeren Schraube (wie sonst ist dieser Torjubel zu erklären?) wollten.
Und auch wir, Hansas erste Viererkette, konnten uns diesmal ganz schnell von unserem Fenstertisch im VIP-Bereich, da wo der niedlichen Blonden immer so viele Gläser runterfallen, losreißen. Soviel Tempo wie nach Spielende machte ich sonst nur, wenn meine Gattin mich zum Vollzug meiner ehelichen Pflichten zwang. Brrrr!
Wir mussten weg, denn die Rückkehr unseres Brasilianers aus seinem schwäbischen Exil sollte gefeiert werden. Und wie es sich für einen vom Zuckerhut gehörte, hatte "Gleddy" seine Einstandsparty unter das Motto "Karneval in Rio" gestellt. Als der schöne René davon hörte, zuckte er kurz zusammen, doch als wir ihm sagten, dass die Party für ihn diesmal nicht unbedingt in der Warnow enden würde, war er beruhigt.
So überholten wir die Bayern also noch im Kabinengang, den schließlich wartete Juri mit seiner Party-Kutsche am Parkplatz direkt hinter der Westtribüne. Wir schossen aus dem Ausgang, und schubsten dabei den geizigen Dirk, der mit Würstchen-Uli im Weg stand, beiseite. Wahrscheinlich bekam unser VoVo gerade ein paar Anlage-Tipps von Hoeness, denn so entspannt gelächelt hat er zuletzt 1990, als er als erster Hansa-Spieler das Abitur machte. Nun standen wir hinterm Stadion und suchten nach Juris Kuh7. Doch nirgends war die Nobel-Schlorre zu sehen. Ein jämmerliches Quäken machte uns auf einen grünen Transporter im DDR-Look aufmerksam. Dieser steuerte zielsicher auf uns zu. Und tatsächlich saß Juri, die alte Plaudertasche, am Lenkrad und grinste, dass uns Angst und Bange wurde.
Nur mit Mühe gelang es Kuno und mir, Kische, unseren Alt-Internationalen ("Damals `74 in Hamburg hat der Netzer mit seinem Toupet keinen Stich gegen mich gesehen...hicks!") und Märzer zum Einsteigen in die grüne Barkasse zu bewegen. Nun warteten wir nur noch auf den Gastgeber, doch dieser tauchte einfach nicht auf. Inzwischen schienen die Münchener richtig auf die Tube gedrückt zu haben, denn eben sprangen Hitzfeld und Rummenigge in den Bus, da rauschte dieser schon los. Als der Bayern-Bus an uns vorbeizog, wurde Juri ganz hibbelig und zeigefingerte auf die Rückscheibe des Telekom-Mobils. Von dort winkte uns ein brauner Hüne im Hansa-Trainingsanzug zu – Gledson!
Juri drückte aufs Gas und nahm die Verfolgung auf. Hatte Dirk unseren Verteidiger an die Bayern verscherbelt? Wir blieben dran. Die wilde Hatz ging durch die ganze Innenstadt. Die Münchener waren klar im Vorteil, schließlich hatten sie mindestens zehnmal soviel PS wie unser Barkas und dann noch ne Motorrad-Eskorte in Grün! Doch Juri entpuppte sich als wahrer Schumi. So gelang es uns, den Bus auf der Brücke am Flussbad zu überholen. Juri stieg volle Kanne in die Eisen, so dass Dutzende Goldrollen und Kümmel-Buddeln aus der Bordapotheke fielen und über den Boden rollten. Genau wie Kuno! Auch Märzer, Kische und ich verloren den Halt und kleckerten uns mit Korn-Kola und Bier voll. Nachdem wir uns berappelt hatten, sahen wir, wie Schlünzer den Bayern-Bus enterte und Gledson aus der Geiselhaft befreite. Uli, Ottmar und Rummenigge machten Riesenrabatz, doch Juri ließ sich nicht aufhalten. Als er aus dem Bus sprang, hatte er unseren Brasilianer am Schlaffittchen – und dieser fünf offenkundige Landsmänninen im Schlepptau. Alle Achtung, unser Brasilianer hatte seinen bayrischen Kumpels Zé Roberto und Lucio die Party-Perlen entführt! "Die Punkte können sie haben, aber die Puppen bleiben hier!" Doch was hatte er sich da angezogen? Er sah aus, als wäre direkt aus dem Film "Troja" ausgebrochen: Sandalen, Brustpanzer und ein Helm mit Federn. Ein echter GLEDIATOR!
So kletterte er auf unseren Barkas, zog die spärlich bekleideten Mädels gleich mit aufs Dach und begann zu tanzen. Da machten die Bayern Augen! Das hatten sie genau so wenig erwartet wie die Fans in den Autos hinter dem Bayern-Bus. Karneval in R(i)ostock, und das bei knapp unter 0° und scharfem Ost-Wind!
Weißwurst-Uli kam angewetzt und zeterte irgendwas von Termindruck, wartender Maschine und Nachtlandeverbot in München. Doch wir ließen uns nicht beirren und machten Party am Weißen Kreuz. Irgendwann tauchte Team Grün auf und wollten uns mitnehmen, doch nachdem Kische sie kurz ins Gebet genommen hatte, war diese Gefahr auch gebannt.
Nun hatten wir ein Einsehen und holten unseren Tänzer und die Mädels vom Dach und checkten im Tri-Hotel ein. Juri war stinksauer und schimpfte: "Unverantwortlich! Bei den Temperaturen kann der doch nicht ne Stunde lang halbnackt draußen rumturnen. Der holt sich doch den Tod!" Doch "Gleddy" war gut drauf: "Kümmer Du Dich mal um den Nachwuchs! Das ist doch Dein neuer Job im Verein, oder!?" Wir bückten alle ab! Gledson hatte es drauf.
Schlünzer schob schmollend mit einer der Perlen ab. Wir verdrückten uns mit den anderen Ladies in den Pool- und Saunabereich. Später stieß noch die Münchener Brasilien-Fraktion mit Uli und Ribéry dazu. Hatten wohl ihren Flug verpasst und keine Lust am Airport in Laage zu übernachten. So ging es hoch her, nur Gleddy begann irgendwann zu husten wie ein Bergarbeiter auf Schalke.
Am Montag drauf stand dann in der Zeitung, Gleddy sei erkältet.
Naja, wir wissen, wobei er sich verkühlt hat! Und der Ribéry hat sich seine Leistenzerrung auch nicht beim Spiel geholt...!
Zurück zu Übersicht