Eigentlich wollte ich ja was über Weihnachten
schreiben. So wie sich das gehört in Dezemberausgaben. Aber mir ist
etwas dazwischengekommen. Ich ziehe nämlich um. Man kann nicht nur aus
alten Klamotten heraus wachsen, sondern auch aus Wohnungen. Und seit
mir neulich in meiner winzigen Muckerbuchte die Decke auf den Kopf
gefallen ist, bin ich nun ununterbrochen dabei mein gesamtes bisheriges
Leben in Kisten zu packen. Viele Kisten. Unfassbar viele Kisten. Ich
komm mir schon vor wie das kleine Männchen aus meinem Handyspiel
StackAttack, das die ganze Zeit ununterbrochen Kartons stapelt und
durch ein verwinkeltes Lager schiebt. Mein privates Real-Life-Tetris in
Farbe und 3D. Und während mindestens tausend Schweißperlen auf meinen
Popeye-Ärmchen herunter rutschen und ich gerade semi-entspannt vor
meiner sortierten Vergangenheit abhänge, ruft meine Mutter an und
wüsste gern, was ich mir denn dieses Jahr so zu Weihnachten wünsche ???
Ähm, einmal den Weltfrieden bitte und ne extra Portion von dem Karpfen*
mit der besten Merretichsoße des Planeten, die bei uns jedes Jahr am
24. Dezember auf den Esstisch kleckert. Und sonst? Ich wühle mich
erneut durch all die Trilliarden Kästchen, Schachteln und Pappquader,
um etwas zu finden was ich noch nicht habe und unbedingt brauche. Bei
meiner Suche kämpfe ich mit einem Anflug von Platzangst zwischen Tonnen
von Erinnerungen und Staubfängern aus den letzten zwei Jahrzehnten und
verzweifele dabei ein ganz klein bisschen, weil mir wirklich absolut
nicht einfallen will. Und sich einfach nur ganz blöd Geld zu wünschen
ist ungefähr genauso stylisch wie „Frohe Weihnachten und ein
Supi-New-Year" als Massen-SMS an sein gesamtes Telefonbuch zu
verschicken. Was soll man also haben wollen? Früher waren für mich die
Geschenke das Beste und Wichtigste an Weihnachten. Heute freu ich mich
schon seit September auf Johnny. Bin ich nun verfressen, total spießig
oder etwa doch schon schrecklich erwachsen? Früher wollte man alles was
man glaubte zu brauchen unbedingt haben, vor allem, weil es das oft
nicht einfach so gab. Heute hat man im Prinzip alles was man nicht
braucht. Und die Geschäfte und Supermärkte quellen über mit noch mehr
Sinnlosigkeiten! Wow, was für eine hammergeile Luxusdepression! Um mich
zu therapieren hab ich schließlich die Müllabfuhr angerufen und die
ganzen blöden Kartons einfach weggeschmissen. Gefühlte achtzig Prozent
meines kompletten Haushalts. Werde ja bald sehen, was ich dann
vermisse. Und ob überhaupt. Nun weiß ich zwar immer noch nicht was der
Weihnachtsmann mir denn bitte unter den Baum legen soll, aber
wenigstens hab ich wieder einige leere Kisten für freshen Krempel am
Start. Und ne neue Wohnung, immerhin.
*Früher durfte der Karpfen
a.k.a. Johnny, noch einige Zeit in unserer Badewanne chillen und
abschwollern, bevor mein Vater ihn für die Bratröhre aufgemotzt hat.
Leider haben mein Bruder und ich uns irgendwann abgewöhnt mit dem Essen
zu spielen. Trotzdem heißen alle X-Mas-Karpfen in unserer Familie auch
weiterhin Johnny...