Bewusst Leben
Spazieren Sie sich fit und glücklich!
Nov 24
Ex-Olympionikin Annika Walter war von 2014 bis 2020 Inhaberin eines Yogastudios, unterrichtete dort verschiedenste Altersgruppen und gibt heute – aus reiner Freude daran – noch gelegentlich Kurse, unter anderem für Senior*innen.
Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer, den man nicht weggehen kann, lautet angeblich ein Ausspruch des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard. Ein Spaziergang ist in der Tat oft der einfachste Weg, um ein Problem schrumpfen zu lassen. Natürlich verschwindet dadurch nicht die Ursache, aber das Spazieren ändert unsere Reaktion darauf. Sie sind gerade fuchsteufelswild? Gehen Sie ein paar Schritte, bevor Sie platzen. Sie sind gerade todunglücklich? Drehen Sie eine Runde um den Block. Ihre Gedanken hüpfen wie ein aufgeregtes Eichhörnchen durch Ihren Kopf? Beruhigen Sie das Eichhörnchen mit einem kleinen Gang die Straße rauf und wieder runter. Ein paar kurze Minuten reichen. Das Problem mit dem Problem sind nämlich oft eher unsere Emotionen und weniger die Situation an sich. Unser sympathisches Nervensystem reagiert auf Stress und Probleme durch „Kampf, Flucht, Einfrieren oder Unterwerfung“. Üblicherweise stellt sich der Kampfmodus als Reizbarkeit und Wut dar, der Fluchtmodus als Panik und Ausweichen. Der Frostmodus äußert sich als Stillstand und Depression und die Unterwerfung zeigt sich durch übermäßige Freundlichkeit und Konfliktvermeidung. Auf Dauer ist natürlich nichts davon empfehlenswert. Und deshalb sollten Sie spazieren gehen. Vor allem wenn Ihnen gerade alles zu viel wird, wenn sie sich angespannt oder überfordert fühlen. Nicht nur, wer regelmäßig seinen Hund Gassi führt, kennt den Effekt. Spazieren entspannt und wirkt - ab etwa zehn Minuten - wie ein natürliches Antidepressivum. Als Followerin der Neurowissenschaftlerin Wendy Suzuki, Professorin für Hirnforschung und Psychologie am Center for Neural Science der New York University weiß ich mittlerweile auch, warum das so ist. Professor Suzukis Schwerpunktthema ist die Neuroplastizität und der Zusammenhang zwischen Bewegung, kognitiven Fähigkeiten und allgemeinem Wohlbefinden, und ihre Spezialität ist es, mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht ihre Erkenntnisse so auszudrücken, dass sie auch jeder Laie versteht. Ab einer Länge von 10 Minuten wirkt ein Spaziergang wie ein Schaumbad fürs Gehirn, sagt Frau Suzuki. Grund dafür ist die Ausschüttung von Hormonen. Dopamin, Serotonin, Endorphin und Noradrenalin ergeben einen hübschen Glückscocktail, der uns ausgeglichener macht, uns Energie schenkt und unsere Aufmerksamkeit steigert. Warum gönnen wir uns diesen Cocktail eigentlich nicht öfter? Die populäre Podcasterin und Autorin Mel Robbins preist Morgenspaziergänge (fünf Minuten bei Sonnenschein, zehn Minuten bei bedecktem Himmel und zwanzig Minuten bei Regen) als lebensverändernd an. Spazierengehen lindert Alltagsstress, reduziert Kopf- und Rückenschmerzen, stärkt das Immunsystem, senkt das Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ist erfrischender als ein doppelter Espresso. Und das alles kostet Sie nur ein kleines bisschen Zeit und Überwindung. Es muss ja nicht der Morgenspaziergang sein, wenn es in der Mittagspause besser passt. Und was, wenn Sie gerade nicht spazieren gehen können? Weil Sie seit drei Tagen krank sind oder auf den Klempner warten müssen. Als Bewegungsersatz machen Sie die Fußwippe. So oft es Ihnen einfällt und so lange, bis die Waden schlapp werden. Im Stehen, im Sitzen, im Liegen, egal. Lösen Sie abwechselnd die Zehen und die Fersen vom Boden beziehungsweise der Unterlage. Je mehr Sie die Wadenmuskulatur dabei in Bewegung bringen, um so besser. Wenn Ihre Beine gerade nicht so können, strecken Sie die Arme abwechselnd zur Decke, zur Seite und zum Boden, bis die Arme schlapp werden und Sie ein klitzekleines bisschen außer Puste geraten. Wenn Sie gerade nicht einfach so los spazieren können und trotzdem Ihren aufgewühlten Kopf beruhigen wollen, empfehle ich die Vierer-Atmung. Zählen Sie beim Einatmen von eins bis vier, zählen Sie beim Ausatmen von vier bis eins. Stellen Sie sich beim Zählen die Zahlen bildlich vor. Eins, Zwei, Drei, Vier. Vier, Drei, Zwei, Eins. Wiederholen Sie diese Atmung eine Weile. Diese Übung hilft übrigens auch oft bei Einschlafproblemen, die Sie – um den Kreis mal zu schließen – auch mit regelmäßigen Abendspaziergängen lindern können. Durch die leichte körperliche Aktivität wird der Körper angenehm müde, was das Einschlafen erleichtert und einen tieferen Schlaf fördert. Regelmäßige Bewegung senkt zudem den Cortisolspiegel – und weniger Cortisol im Blut bedeutet, dass Ihr Körper besser zur Ruhe kommen kann. Gönnen Sie sich also den Luxus des Spazierengehens und werden Sie schrittweise fitter und glücklicher.
Alles Liebe!
Annika Walter
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