Der prognostizierte Klimawandel spielt für die weltweite Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung eine immer wichtigere Rolle. Von einer beeinträchtigten Lebenssituation für Mensch, Flora und Fauna kann heute ausgegangen werden, wie die Zunahme von Tsunamis, Versteppung, das Verschwinden der Gletscher sowie Wasserfälle zeigt. Die deutsch-russische Bildhauerin Anna Bogouchevskaia gibt den heute aktueller denn je und dringlichen Themen in ihren Bronzen und Zeichnungen mit rund 140 Werken ein Antlitz und tritt dabei für einen anderen und nachhaltigeren Umgang mit der Umwelt ein.
Die Ausstellung zeigt in sechs Ausstellungsräumen die unterschiedlich inhaltlichen Aspekte im Werk von Anna Bogouchevskaia. Dabei durchschreiten Besucher:innen den Lebensweg der Künstlerin von heute bis in ihre Kindheit als Tochter zweier namhafter Bildhauer:in in Moskau. Die Besucher:innen lernen dabei das skulpturale Werk mit ihrem auch für die Ostsee-Region so wichtigen Element Wasser in ihren unterschiedlichen Aggregatzuständen und als Lebensraum kennen.
Während die Besucher:innen in Dunkelheit ihren großen Neusilberskulpturen von acht bedeutenden Wasserfällen begegnen, erzählen Legenden, Mythen und religiöse Hintergründe der Wasserfälle wie bei „Iwan der Schreckliche“ oder „Niagara“ vom Kulturgut der Fälle, das zu verschwinden droht. Im nächsten Raum ruft eine Skulpturengruppe Assoziationen von den unterschiedlichen Aggregatzuständen des Elements Wasser, wie Nebel, Schnee und Eis, hervor. Mit den Zeichnungen der Künstlerin werden die Betrachter:innen über den Gestaltungsprozess der jeweiligen Skulpturen ins Bild gesetzt.
Je mehr die Besucher:innen den Parcours der Ausstellung durchlaufen, desto mehr hellen sich die Ausstellungsräume in ihrer Wandausmalung auf. In einem weiteren Raum sind es 12 makroskopisch dargestellte Tropfen-Skulpturen im Moment ihres Aufschlags auf jeweils eine Wasserfläche, die die Inspiration der Künstlerin durch den in der Ausstellung ebenso gezeigten französischen Film „Mikrocosmos“ fanden. Naturgeräusche und Musik als Untermalung des Films strahlen in alle sechs Räume aus und bilden die „Klammer“ für die gesamte Schau.
Die Ausstellung ist aber auch ein Diskurs durch die Kunstgeschichte. So lassen sich bei Bogouchevskaia Einflüsse von Henry Moore, Eduardo Chillida und Marc Chagall erkennen, aber ebenso durch Freund- und Bekanntschaften von zeitgenössischen Künstler:innen wie Heinz Mack und Tony Cragg.
Die Ausstellung liefert einen Überblick über die Künstlerin, deren Biografie ebenso mit jener von Marc Chagall familiär verwoben ist, genauso wie durch ihre Verwandtschaft mit dem deutschen Philosophen Karl Marx. Sie legt aber auch Hintergründe offen, die sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und ihrem Umzug von Moskau nach Berlin in die Freundes- und Dissidenten-Kreise und das Umfeld um den Nobelpreisträger und Menschenrechtler Andrei Sacharow wechseln ließen.
Anna Bogouchevskaia, 1966 in Moskau geboren, wuchs in einer bedeutenden Bildhauerfamilie auf. Dadurch wurde sie früh zu einem Teil der künstlerischen Elite Moskaus. Mit bereits neun Jahren begann sie ihre Kunstausbildung an der Moskauer Zentralen Kunstschule und studierte anschließend Bildhauerei am Moskauer Kunstinstitut Surikow. Mit einem Stipendium an der russischen Kunstakademie wurde sie zur Meisterschülerin des Bildhauers Wladimir Zigal (1917–2013). Ihre Werke befinden sich heute in zahlreichen Museumssammlungen wie u.a. der Tretjakow Galerie und in bedeutenden internationalen Privatsammlungen wie der Sammlung Wemhöner oder Spreegold-Collection. Die Künstlerin ist regelmäßig in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.