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"Der Anfang von etwas Neuem" – Niels Frevert im Interview
Dez 19
0381-Magazin: Herr Frevert, was bedeutet „Putzlicht“, der Titel Ihres aktuellen Albums?
Niels Frevert:
Das ist ein Begriff aus der Gastronomie. Er wird auch im Theater
benutzt. Das ist das Licht, das angeht, wenn die Vorstellung, das
Konzert oder die Party vorbei ist. Wenn der Club schließt, dann geht das
sehr nüchterne Neonlicht an. Dann wird aufgeräumt und aufgeklart. Die
Leute gehen nach Hause oder ziehen weiter. Es ist das Ende, aber auch
der Anfang von etwas Neuem.
0381-Magazin: Auf dem Cover der neuen CD sieht man einen Nachtfalter. Was hat es damit auf sich?
Frevert: Er kommt auch im Text von Putzlicht vor. Das ist die berühmte Motte, die ins Licht fliegt.
0381-Magazin: Was ist für Sie das Besondere am neuen Album?
Frevert:
Der größte Unterschied zu den letzten drei Alben ist, dass ich anders
gearbeitet habe. Die zurückliegenden Werke sind rein mit akustischen
Instrumenten entstanden. Dieses Mal haben wir viele elektrische Gitarren
dabei, auch ein paar Keyboards, alte Synthesizer, Vintage Synthesizer,
natürlich in Maßen. Es ist dieses Mal einfach ein anderes Sound-Bild
entstanden. Und es gibt deutlich weniger Balladen, nämlich nur zwei, der
Rest sind eigentlich Uptempo-Nummern. Außerdem habe ich dieses Mal mit
Philipp Steinke, einem neuen Produzenten gearbeitet. Die letzten drei
Alben gingen eigentlich mehr über das Arrangement und das
Zusammenspielen. Dieses Mal habe ich bei mir zu Hause Demos gemacht. Mit
Bass und Schlagzeug und zwei Gitarren, so wie früher.
Und dann
haben wir aus diesen Demos eine Vor-Produktion gemacht. Wir haben an den
Liedern lange gearbeitet. Ich habe bei jedem Song, einfach um das Beste
rauszuholen, auch Kollegen konsultiert, ihnen die Songs vorgespielt und
geschaut, ob noch was geht, um die Sache spannender zu machen. Erst,
als wir die Vor-Produktion fertig hatten, haben wir den Schlagzeuger
angerufen. Und dann haben wir im Grunde noch mal von vorne angefangen.
0381-Magazin: Von Ihnen stammt der Satz „Ich möchte nicht zu viel sein“. Wie ist das zu verstehen?
Frevert:
(lacht) Ich möchte aber auch nicht zu wenig sein. Der Satz fiel in
einem bestimmten Zusammenhang. Ich wurde gefragt, warum ich nicht so oft
in Hamburg spiele. Doch ich habe es schon immer so gehalten, dass ein
Konzert etwas Besonderes sein soll. Ich wollte nie ein lokaler Held
sein. Deswegen halte ich mich in Hamburg eher zurück. Ich halte mich
auch bei Social Media eher zurück. Ich bin tatsächlich der etwas
zurückhaltende Typ. Das ist mein Naturell. Das heißt aber nicht, dass
ich vom Erdboden verschluckt werden will.
0381-Magazin: Sie nutzen aber Social Media, oder?
Frevert:
Ja, darauf kann ich als Künstler natürlich nicht verzichten. Ich muss
aber auch gestehen, dass ich bei Instagram erst acht bis zehn Wochen
unterwegs bin und ich noch ein wenig auf der Suche bin, wie mein Weg da
aussehen soll. Ich schaue natürlich ein bisschen, was die Kollegen
machen und versuche aber meinen eigenen Weg zu gehen. Ich werde
bestimmte Sachen nicht machen, möchte da nicht zu privat werden. Und ich
möchte mich auch nicht bei meinem Publikum anbiedern. Aber ich möchte
schon präsent sein. Die Leute sollen mich dort finden. Das lässt sich
gar nicht umgehen.
Es gibt bei Social Media natürlich viele
abschreckende und erschreckende Beispiele. Und ich bin manchmal auch
über bestimmte Sachen erstaunt, die vor zehn Jahren noch echt uncool
gewesen wären, jetzt aber anscheinend nicht mehr uncool sind. Da komme
ich manchmal nicht so ganz mit. Es gibt aber eine Möglichkeit Instagram
so zu gestalten, wie man es selbst für richtig hält und dass auch etwas
Tolles und Schönes dabei herauskommt. Ich sehe zum Beispiel
Instagram-Seiten von Künstlern, die super schön gestaltet sind und deren
Profil fast ein kleines Kunstwerk ist. Es ist natürlich immer die
Frage, was man da transportieren möchte. Es ist auch eine
Generationsfrage. Die Jugendlichen sind ganz anders damit aufgewachsen
und haben viel weniger Berührungsängste. Das muss man nicht unbedingt
nachmachen, aber ich werde es auch nicht verurteilen. Die Zeiten ändern
sich einfach.
0381-Magazin: Wie zufrieden sind Sie mit ihren Jahren als Solokünstler? Sie haben 1997 begonnen.
Frevert:
Manchmal bin ich ganz zufrieden, manchmal nicht so sehr. Ich bin nicht
so zufrieden damit, dass ich jetzt fünf Jahre gebraucht habe bis zur
Veröffentlichung der neuen Platte. Wenn ich aber vor zwei oder drei
Jahren schon ins Studio gegangen wäre, dann hätte die Platte so etwas
Leidendes gehabt. Und das wollte ich nicht. Ich wollte eine starke,
kräftige Platte auf die Beine stellen. Ich wünsche mir aber, dass ein
paar mehr Leute zu meinen Konzerten kommen. Ich bin selbst ganz
erstaunt, dass ich einer der wenigen Künstler in Deutschland bin, der
mehr Platten verkauft als Konzerttickets. Ich weiß gar nicht, woran das
liegt. Klar wünsche ich mir manchmal auch mehr Unterstützung von Seiten
der Medien, speziell der Radiosender. Ich würde lügen, wenn ich mich da
nicht manchmal wundern würde. Manchmal habe ich das Gefühl bei mir
passieren die Dinge mit Verspätung. Wenn ich zurückdenke an die
Veröffentlichung von „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“ (2008, d.
Red.), da hat kaum eine Zeitschrift über diese Platte geschrieben. Die
Platte hat sich dann aber weiterhin verkauft und verkauft und verkauft.
Das hörte gar nicht mehr auf. Zehn Jahre später sehe ich in den
Zeitschriften, die die Platte damals nicht erwähnt hatten, dass dieses
Album in den Listen der 50 besten Platten aller Zeiten auftaucht, die
aus Deutschland kommen. Das finde ich natürlich ganz erstaunlich. Ich
will hier jetzt auch nicht kokettieren, aber manchmal braucht es dann
vielleicht auch etwas Zeit, bis manche Sachen wahrgenommen werden.
0381-Magazin:
Wie sehr glauben Sie mit der neuen Platte an den nächsten Schritt? Sie
haben mit Grönland Records das Label von Herbert Grönemeyer im Rücken.
Frevert:
Und da bin ich auch sehr happy und fühle mich sehr wohl. Den nächsten
Schritt zum kommerziellen Erfolg kann ich momentan gar nicht richtig
einschätzen. Wir haben uns von der letzten Platte („Paradies der
gefälschten Dinge“, d. Red.) alle etwas mehr erhofft. Im Nachhinein kann
ich es verstehen, dass dieses Album nicht so der Renner war. Es ist
keine einfache Platte. Sie hört sich heute selbst für mich etwas hin-
und hergerissen an. Ich weiß auch, woran das liegt. Ich war persönlich
mit ein paar Dingen beschäftigt, die es mir damals nicht leicht gemacht
haben die Platte zu Ende aufzunehmen und auf Promo-Tour zu gehen. Die
großen Drama-Balladen sind super geworden. Die Songs, die etwas mehr
Leichtigkeit transportieren sollten, sind mir nicht so leicht von der
Hand gegangen. Das ist der größte Unterschied. Ich hatte zwei große
Vorgaben für die neue Platte. Für mich selbst. Erstens, dass ich
genügend Uptempo-Nummern mit Single-Potenzial auf der Platte habe. Diese
liegen mir wirklich am Herzen. Ich denke mit denen kann ich mich
draußen sehen lassen. Und zweitens, dass ich auch jeden einzelnen Song
alleine auf der Gitarre spielen kann. Weil ich dann auch mal wieder
alleine durch Österreich und die Schweiz touren und da schöne
Solo-Konzerte spielen kann. Da freue ich mich schon drauf. Das hat mir
gefehlt. Ich denke der Plan mit den beiden Vorgaben ist ganz gut
aufgegangen. Beides wurde erfüllt.
0381-Magazin: Wie groß ist ihre Sehnsucht nach einem nächsten Hit?
Frevert:
Der wichtigste Song auf dem neuen Album ist „Immer noch die Musik“. Es
würde mich schon enttäuschen, wenn er sang- und klanglos untergehen
würde und nicht von den Radiosendern wahrgenommen werden würde. Ich
glaube nämlich, dass in dem Song alles drin ist. Aber für die
Radiostationen, die ein bisschen alternativ angehaucht sind, müsste
„Immer noch die Musik“ interessant sein.
0381-Magazin: Wie wichtig ist Ihnen Kritik in den Medien? Setzen Sie sich damit auseinander?
Frevert:
Ich lese mir natürlich die großen und wichtigsten Sachen durch. Da bin
ich zu neugierig. Und dafür hat man auch zu viel Zeit und Liebe in die
Songs reingesteckt. Ich will das schon wissen, wie es aufgenommen wird.
Aber ich lese mir nicht jeden Kommentar bei YouTube durch.
Für mich
ist Musik-Journalismus auch ein Handwerk. Und ich interessiere mich
dafür, wenn jemand das Handwerk beherrscht. Dann ist es interessant. Es
tummeln sich aber in jeder Branche auch Menschen, die das Handwerk nicht
so verstehen und das auch nicht so wichtig finden. Ich möchte aber
jetzt auch nicht zu viel meckern.
0381-Magazin:
Eines der schönsten Zitate auf dem neuen Album ist: „Ich sehe keine
dunklen Wolken mehr, da ist kein dunkles Wolkenmeer“. Fallen Ihnen
solche Wortspiele einfach zu? Auch die Textzeile mit den Fransen vom
Nachtisch-Lampenschirm...
Frevert: Ich bin tatsächlich
immer offen für gute Wortspiele und schreibe diese dann auf. Im Fall der
Fransen vom Nachttisch-Lampenschirm hatte ich es danach durchgelesen
und mich gefragt, ob ich das schreiben kann. Wenn ich mir diese Frage
aber schon stelle, dann weiß ich auch, dass ich es aufnehmen muss. Ich
weiß, dass es am Ende meine Lieblingszeilen sind.
0381-Magazin: Konnten Sie das letzte Album nicht richtig einschätzen? Heute beurteilen Sie es innerlich zerrissen.
Frevert:
Ich möchte jetzt niemanden, der an der Produktion des letzten Albums
beteiligt war und es schön findet, verletzen. Die Platte bedeutet mir
schon auch sehr viel. Aber es ist tatsächlich von allen bisherigen
Alben, die ich bisher solo aufgenommen habe, das Werk, dass ich
tatsächlich am wenigsten einschätzen kann. Es hängt auch damit zusammen,
dass es eine komische Zeit für mich war. Und dass ich mich im Grunde
genommen am Prozess der Aufnahmen auch ein bisschen festgehalten und
einfach weiter gemacht habe. Ich höre eine innere Zerrissenheit. Es ist
überhaupt kein schlechtes, sondern ein gutes Album. Aber irgendwie in
sich nicht ganz stimmig. Ich sehe da irgendwie ein paar Beulen und es
ist als Album über die ganze Strecke nicht ganz klar. Das sind Songs
dabei wie „Schwör“ oder „Morgen ist egal“, die habe ich vorher so noch
nicht hingekriegt. Das Album hat Schlangenlinien, es geht ein bisschen
auf und ab. Jede Platte hat auch sein Innenleben. Ich hoffe, dass die
neue CD als ein starkes kraftvolles Album wahrgenommen wird.
0381-Magazin: „Putzlicht“ klingt harmonisch und leicht. Fühlen Sie sich gerade so?
Frevert:
Mir geht es gut. Die Zusammenarbeit mit Philipp Steinke war eine tolle
Erfahrung. Ich habe unheimlich viel gelernt und glaube auch, dass sich
dies für mich im Song-Writing nochmal widerspiegelt. Das war eine
spannende Zeit, denn wir sind wirklich sehr ins Detail gegangen. Es hat
viel Energie gekostet. Ich habe fast den kompletten Winter und das halbe
Frühjahr in Berlin verbracht, habe dort in einer sehr kleinen Wohnung
gelebt, mit kaltem Wasser und mit einem Kohleofen. Ich fand es super und
es hat mich irgendwie weitergebracht. Ich bin auch so, dass ich mit
Luxus in Form eines Sterne-Hotels nicht so viel anfangen kann. Das hat
bei meinem Platten-Aufnahmen nichts zu suchen. Ich brauche das ein
bisschen, die Basis zu spüren.
0381-Magazin:
Der Song „Putzlicht“ stellt eine Abwechslung zu all den Uptempo-Nummern
auf der Platte dar. Was hat der Titel für einen Stellenwert?
Frevert:
„Putzlicht“ ist die große Ballade auf dem Album. Ich dachte mir, wenn
der Hörer nach den ersten fünf Nummern eine solche Ballade hört, dann
glaubt er es ist ein gutes Album. Spätestens dann. Ich glaube das ganze
Album ist in sich stimmig.
0381-Magazin: Stimmt es, dass Sie Ihre Gitarre anderthalb Jahre nicht angefasst haben?
Frevert:
Ja. Ich habe es immer mal versucht. Auch Dinge für mich festgehalten,
aber ich habe das alles in die Tonne getreten. Es klang mir zu leidend.
0381-Magazin: Und wann haben Sie die Arbeit am neuen Album dann aufgenommen?
Frevert:
Der erste Song war im Sommer 2017 fertig. Im Dezember 2017 war die
Hälfte der Songs geschrieben. Und ab dann habe ich konkret mit den
Planungen begonnen. Ich dachte ich würde im Winter 2018 fertig sein. Wir
haben aber erst im Herbst/Winter angefangen. Wir waren dann Ostern 2019
mit allem fertig. Es dauert dann bei mir einfach immer länger. Ich bin
tatsächlich ein bisschen langsam. Aber fünf Jahre sind zu lange. Ich
habe da auch keine Zeit zu verlieren. Das hat mir auch weh getan. Dass
ein bis zwei Jahre einfach so vergangen sind, das fand ich nicht so
toll.
0381-Magazin: Warum machen Sie nach der Tour im Oktober jetzt noch eine Akustik-Tour?
Frevert:
Ich freue mich, wenn wir in diesem Jahr noch so viele Termine wie
möglich spielen können. Es wird sicherlich 2020 weitergehen. Es ist auch
noch nicht 100 % sicher, mit welcher Besetzung wir im Dezember bei der
Akustik-Tour auftreten werden. Ich werde da nicht solo auftreten. Jetzt
habe ich erst mal die erste Tour vor der Brust und hoffe, dass alles gut
wird. Dann kommt der nächste Schritt.
0381-Magazin: Und die Gründung einer eigenen Band ist für die Zukunft ausgeschlossen?
Frevert:
Das weiß ich nicht, würde es nicht ausschließen. Es hat alles seine
Vor- und Nachteile. Als Solokünstler kannst du selbst entscheiden, aber
du bist auch für alles zuständig. Momentan ist es mit der Live-Band
einfach großartig. Ich bin bei den Open-Air-Konzerten jedes Mal mit so
einem guten Gefühl auf die Bühne gegangen. Es ist wirklich toll mit
dieser Band. Es gibt mir Halt und macht riesigen Spaß.
Interview: Reinhard Franke
12.12.2019 · 19.00 Uhr · Stadtpalast
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