Campus Rostock
The Datadriver im September 2024
Sep 24
Ex-Olympionikin, Gesellschafterin eines K.I.- Unternehmens und Neuronale-Netze-Fan Annika Walter fragt sich diesen Monat:
Liest K.I. schon unsere Gedanken?
Seit langem untersuchen Forscher*innen mit Unterstützung von K.I. und BCIs neuronale Aktivitäten. In den Medien wird dann verkaufsfördernd behauptet, dieses oder jenes Forschungsprojekt (besonders Projekte von Unternehmen) hätte es geschafft, menschliche Gedanken zu lesen. Jede Menge kleinerer und größere Start-Ups stehen wenigstens kurz vor dem Durchbruch. Das ruft Verschwörungstheoretiker*innen auf den Plan, die verbreiten, dass unheilvolle, meistens namenlose Gruppen schon länger unsere Gedanken auslesen und manipulieren. Möglich ist das … aber nicht, wie von den Panikmacher*innen behauptet. Es gibt ALS- oder Locked-In-Patient*innen, die mit einer Übertragungsrate von einem Buchstaben pro Minute einen Hauch von Kommunikation erreichen. Ein neurowissenschaftliches Team bei Facebook ermöglichte es vor ein paar Jahren einem Schlaganfallopfer, mithilfe eines Brain-Computer-Interface-Headsets zu sprechen. Aber hier kommt die andere Seite der Medaille: Kurz nach Abschluss der Studie entschloss sich das Unternehmen, sich von der Technologie abzuwenden und Soft- und Hardware als Open Source für externe Entwicklungen zur Verfügung zu stellen. Die Leute von Meta als Altruisten? Eher ein dickes, fettes Signal für eine miese Aufwand-Nutzen-Rechnung, oder?! BCIs sind auf dem Vormarsch, helfen bei Epilepsie, Parkinson oder auch motorischen Störungen. Grob vereinfacht erklärt, wenn es im Gehirn einen Ort gibt, an dem man irgendwie in die Reizweiterleitung eingreifen kann. Schwieriger wird es mit Sprache. Verstehen, Denken, Formulieren und Aussprechen verteilt sich auf viele Bereiche. Noch schlimmer ist es mit Gedanken. Die bestehen ja nicht mal aus hübsch sortierten Worten, sondern aus einem Gewimmel von Bildern, Gerüchen, Klängen, Emotionen und vielleicht sogar Reizen, die wir bislang nicht einmal benennen können. Prof. Dr. Moritz Helmstaedter vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung erklärte mal in einem Interview, dass unser Gehirn 86 Milliarden Nervenzellen umfasst – und dass in jeder Sekunde ungefähr ein Zehntel davon elektrisch aktiv ist. „Da wird natürlich klar, dass man mit 24, 240 oder auch 2400 Elektroden nicht allen acht Milliarden Nervenzellen pro Sekunde zuhören kann.“ Dazu kommt die Plastizität des Gehirns. Weil sich die Muster unserer neuronalen Aktivitäten täglich etwas ändern, müsste man selbst eine „Gedankenlesemaschine“ für den Minimalgebrauch täglich neu kalibrieren. Deine Gedanken sind also frei … und fürs Erste sicher.
Liebe Grüße! #thedatadiver
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