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Musik

Außer Rand und Band

Außer Rand und Band

Dez 24
Wo immer John, Paul, George und Ringo sich blicken ließen, flippten ihre weiblichen Fans aus. Die Höhepunkte der Beatlemania fängt die neue Doku „The Beatles '64“ ein. Sie ist ab dem 29. November auf Disney+ zu sehen und wurde von Paul McCartney, Ringo Starr und Martin Scorsese produziert. Und eine neue Vinylbox beleuchtet sieben ihrer Alben, die zwischen Januar 1964 und März 1965 in Amerika veröffentlicht wurden. Von dem Londoner Beatles-Experten David Hepworth erfuhr Olaf Neumann, was so aufregend an der Musik der frühen Beatles war.

0381-MAGAZIN: Ein Artikel im New York Times Magazine beschrieb die Beatlemania als eine „Religion der Teenager-Kultur“. Unterscheiden die Beatles sich wirklich so sehr von anderen Bands ihrer Zeit?
David Hepworth: Sie haben eindeutig viel bessere Platten gemacht als alle anderen im Abbey Road Studio. Und EMI hatte wirklich viele Hits in den Sechzigern. Aber man würde die Platten von Gerry and the Pacemakers oder Billy J. Kramer & The Dakotas nicht mit den Beatles vergleichen. Wir können uns eine solche Gruppe heute nicht mehr vorstellen, denn die Fab Four waren wirklich gute Sänger und Instrumentalisten. Ihr genialer Produzent George Martin war in der Lage, ihre musikalische Persönlichkeit auf Platte zu bannen. Niemand sonst konnte das so gut wie sie. An diesen Platten gibt es nichts zu verbessern. Ich persönlich bin sehr froh, dass die Beatles nie wieder zusammengekommen sind. Denn es ist eine perfekte Geschichte. 

0381-MAGAZIN: Es gibt eine neue Beatles-Veröffentlichung: „1964 U.S. Albums In Mono“ Wieso wird einem diese Band nie langweilig?
Hepworth: Das liegt an der internen Dynamik innerhalb der Gruppe, dem Wettbewerb untereinander und der Zusammenarbeit. Eines der Dinge, die ich an ihren Platten bewundernswert finde, ist die Art und Weise, wie sie Songs wie „Help" oder I wanna hold your hand" beginnen lassen. Da muss sich überhaupt nichts aufbauen, es fängt schon auf diesem Niveau an und steigert sich sogar ein wenig. Sie waren in der Lage, die Aufregung einzufangen, die sie selbst über das, was ihnen da widerfuhr, empfanden. An dem Tag, an dem sie "She loves you" aufnahmen, kamen einige junge weibliche Fans ins Abbey Road Studio und versuchten, die Beatles zu finden. Das ganze Gebäude war beunruhigt und die Mädchen mussten gebremst werden. Norman Smith sagte, man könne die Aufregung dieses Tages in der Art hören, wie die Beatles „She loves you" sangen. 

0381-MAGAZIN: Gibt es etwas an den Beatles, das Ihnen erst spät bewusst wurde?
Hepworth: Ich habe das Gefühl, die Beatles werden noch immer unterschätzt, weil wir heutzutage eher den letzten Teil ihrer Karriere bewundern, die Ära der langen Haare. Aber wir vergessen oft die Genialität von „She loves you", „Twist and shout" oder „I wanna hold your hand". Vor allem „A hard days Night" ist eine außergewöhnliche Platte, auch heute noch. Sie mussten sieben Songs für den gleichnamigen Film schreiben. Einer davon sollte den Titel für den Film liefern. Und dann machten sie noch sechs weitere Stücke, die nicht stark genug für Singles, aber gut genug für die LP waren. Seitdem hat keine andere Band mehr so viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gehabt.

0381-MAGAZIN: Welches war die größte Innovation, die in den Abbey Road Studios entwickelt wurde?
Hepworth: Das war „A hard day's Night". 1964, mitten in der Beatlemania, kamen diese vier Jungs aus den USA zurück, drehten einen Film und schrieben, sangen, spielten und nahmen 13 neue Songs für ein Album auf. Es war ihre Vision, ihr Sound, ihre Erfindung. Und es wurde ein riesiger Erfolg. Das war vorher undenkbar, selbst in der Welt der klassischen Musik. Seitdem versuchen Bands, selbiges zu tun. Und die meisten von ihnen können es nicht, weil die Beatles einfach außergewöhnlich waren. Das ist es, was die Mystik von Abbey Road ausmacht. Hier ist etwas passiert, was nie zuvor passiert ist und nie wieder passieren wird.

0381-MAGAZIN: Bis 1966 verdient der EMI-Angestellte George Martin an den millionenfach verkauften Beatles-Platten keinen Cent. War er denn an den späteren Beatles-Umsätzen beteiligt?
Hepworth: Ja, er hatte dann ein Produzentenhonorar, aber kein großes. George Martin war mehr daran interessiert, seine Air-Studios auszubauen. Ich glaube nicht, dass er durch die Beatles großartig reich geworden ist. Auf der anderen Seite sind die Beatles selbst durch ihre Arbeit auch nicht sehr wohlhabend geworden. Das große Geld kam erst Jahre später. George Martin hat mit der Beatles-Anthologie in den 1990er Jahren mehr verdient als mit dem Material aus den 1960er Jahren. Weil man plötzlich 14 Pfund für ein verkauftes CD-Album bekam. In den 1960er Jahren wurde eine Vinyl-Single für weniger als zehn Schilling verkauft. Aber es hat Martin weltberühmt gemacht. Auch sein Sohn Giles macht den gleichen Job, er produzierte sogar die Beatles.

0381-MAGAZIN: Was denken Sie über den späten Beatles-Song "Now and then", der mit Hilfe von KI entstanden ist?
Hepworth: Die Technik verbessert sich ständig. Ich habe Peter Jacksons magische Box noch nicht in Aktion gesehen, aber heutzutage kann man jede Sounddatei auf einem Bildschirm betrachten, die verschiedenen Frequenzen sehen, dieses Instrument von den anderen trennen und es kopieren. KI ist ein guter Diener und ein schlechter Meister.

0381-MAGAZIN: Peter Jackson sagte, es wäre für KI kein Problem, mehr Beatles-Songs à la „Now and then“ zu generieren. Wird da noch mehr kommen?
Hepworth: Ich würde nicht dagegen wetten. Es wurde ja gerade angekündigt, vier biografische Beatles-Filme zu drehen. Als George Martin in den frühen 1990ern gefragt wurde, ob es etwas von den Beatles gäbe, das noch veröffentlicht werden könnte, sagte er: „Nein, es gibt überhaupt nichts". Und drei Jahre später produzierte er die „Anthology“-Album-Reihe. Denn plötzlich interessierte sich der Markt für unvollendete Dinge. George Martin dachte sehr lange, dass das nie passieren würde. Wer weiß, vielleicht gibt es bald noch mehr Dinge wie die Las Vegas Show „Love" des Cirque du Soleil. Man hat einen neuen Weg gefunden, die Beatles zu präsentieren. Aber ich halte deshalb nicht den Atem an. Ich kann getrost vorhersagen, dass es nicht so gut sein wird wie die echten Beatles.

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