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40 Jahre Graffiti-Geschichte im Buch – Wen interessiert denn sowas?
Dez 24
Mit der Wende und der Einführung westlicher Hip-Hop-Kultur nahm Graffiti in Rostock Fahrt auf. Bahnhöfe, Gleise und verlassene Industriebauten wurden zu Hotspots. Später folgten erste legale Graffiti-Flächen, die schnell zu Treffpunkten der Rostocker Szene wurden. Rostock hat inzwischen eine bunte Mischung aus illegalen und legalen Kunstwerken, die verschiedene Stile und Themen vereinen. Über die Stadtgrenzen hinaus ist die Szene aktuell besonders über die große Anzahl an Hansa-Graffitis bekannt. Viele dieser Graffitis finden sich in Form von Fotos nun gesammelt und fein sortiert im Buch „Graffiti in Rostock“. Auf knapp 440 Seiten finden sich hier spannende Geschichten aus der Szene, Interviews mit den Pionieren der Kultur, Stasi-Dokumente und selbstverständlich hunderte von bunten Bildern. Die Herausgeber des Buches konnten uns einige Fragen zum Buch beantworten.
0381-MAGAZIN: Was war eure Motivation, um das Buch zu veröffentlichen?
Wen interessiert denn sowas: Wenn man aufmerksam durch die Stadt geht, dann kann man sehen, wer im Moment viel malt. Die Hauptakteure sind dem geneigten Betrachter bekannt. Uns hat interessiert, wer vor 20, 30 Jahren aktiv war und mit welchen Gegebenheiten diese Leute zu tun hatten. Dann war natürlich die Frage: Wie sah es vor der Wende aus, gab es auch dort schon Graffiti und wie sah das aus? Ein paar Fotos hat jeder gesehen und Mythen gehört, aber wir wollten etwas Handfestes. Dann ist Graffiti auch eine Kunstform, die temporär begrenzt ist. Wir wollten die Geschichte etwas konservieren und für möglichst viele Menschen erlebbar machen.
0381-MAGAZIN: Das Buch umfasst ca. 440 Seiten – wie lange hat die Arbeit an dem Buch gedauert?
wids: Insgesamt hat die Arbeit an dem Buch ca. 5 Jahre gedauert. Die erste Idee kam 2019 auf. Seitdem haben wir kontinuierlich an dem Buch gearbeitet. Es war nicht immer einfach, die Geschichte aufzuarbeiten, denn zwischendurch kamen Corona und unser normaler Alltag dazwischen. Zudem brauchten wir erstmal ein Konzept und schließlich möglichst viel Material. Mit der Zeit kam von diesem immer mehr zusammen und wir schufen riesige Datenmengen, die es dann wiederum zu bewältigen galt. Durch Corona war beispielsweise kein direkter Kontakt mit den einzelnen Sprayern möglich und so haben wir einige Leute bis heute nicht persönlich bzw. erst auf der Releaseparty kennengelernt.
0381-MAGAZIN: Die Rostocker Graffiti-Szene hat in den letzten 30 Jahren einige Sprayer hervorgebracht. Wer kommt in dem Buch zu Wort?
wids: Besonders erwähnenswert sind sowohl Sera und Synde, die schon seit den 90ern konstant aktiv sind, als auch ILT und die Jungs aus der Fanszene von Hansa. Ob man sie nun mag oder nicht: Es sind die polarisierensten Akteure der Szene. Daneben haben wir aber auch jemanden aus der Vorwendezeit gefunden, der durch Graffiti Kontakt mit der Stasi hatte und diverse Leute, die aus der anarchischen Nachwendezeit erzählen. Aber auch jüngeren Crews wollten wir eine Plattform bieten, damit das Bild abgerundet wird.
0381-MAGAZIN: Wie viele Bilder befinden sich im Buch und nach welchen Kriterien habt ihr die Bilder ausgewählt?
wids: Eine Zahl haben wir nicht, aber generell sollte sowohl das Graffiti an sich als auch das Foto eine gute Qualität aufweisen. Dabei waren die Auswahlstandards von Bildern aus den 90ern nicht mit denen aus der heutigen Zeit zu vergleichen. Ein gewisses Fingerspitzengefühl war dabei immer vonnöten. Insgesamt hat die Auswahl einiges an Zeit bedurft und zu der langen Schaffenszeit beigetragen.
0381-MAGAZIN: Wie ist die künstlerische Entwicklung im Straßen-Graffiti in den letzten Jahren einzuschätzen? Hat sich das geändert?
wids: Tendenziell hat sich Graffiti in Rostock immer weiterentwickelt. Früher, am Anfang der 90er Jahre, war es qualitativ weit zurück hinter dem aus anderen Städten unseres Bundeslandes. Mittlerweile ist in einigen Bereichen eine sehr hohe Qualität zu erkennen. Etablierte Crews haben ihre jeweiligen Styles gefunden und ausgearbeitet. Andersherum gibt es natürlich immer wieder Neulinge, die ihren Style erst noch finden müssen.
0381-MAGAZIN: Wird es Graffiti auch noch in 30 Jahren geben?
wids: Wir gehen fest davon aus. Die Frage ist aber eher: In welcher Form wird Graffiti in 30 Jahren noch existieren? Wird es Graffiti nur noch auf legale Flächen geben, an denen sich ausgetobt werden darf? Werden Auftragsgraffitis an Fassaden das Stadtbild bestimmen? Gibt es in 30 Jahren überhaupt noch analoges Graffiti oder wird alles digital ablaufen?
0381-MAGAZIN: Im Zuge der fast kompletten Sanierung Rostocks sind graue Wände weniger geworden – wo findet man Freiflächen?
wids: Generell wird man auf der Webseite graffiti-in-rostock.de fündig. Beliebte Wände sind z.B. die Sporthallen Dierkow in der Walter-Butzek-Straße und im Kurt-Schumacher-Ring und in der KTV die Sporthalle in der Elisabethstraße.
0381-MAGAZIN: Gibt es das Buch normal im Handel zu kaufen?
wids: Der „full color shop“ in der KTV ist eine gute Adresse zum Buchkauf.
Henryk Janzen
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