Report
Rostocks verschwundene Orte: Das Schauwerk
Apr 18
Es war einmal … ziemlich genau vier Jahre ist es her … da regte sich neues Leben in dem – kurz vorher vom Volkstheater aus Kostengründen aufgegebenen – Theater im Stadthafen (TiS). Schon der Auftakt bestand in lautem, fröhlichen Lärm: „Gebt uns das TIS“ tönte es allerorten und Verkünder der Botschaft waren Studierende der Hochschule für Musik und Theater (hmt) und Vertreter der freien Theatergruppe mit dem klingenden Namen Freigeister.
Gemeinsam sammelten sie Unterschriften, über 1000 Unterstützer waren es am Ende – und öffneten sich damit die Tür zum roten Backsteinbau mit den grünen Türmchen. Die Akteure hatten dabei durchaus auch den Mehrwert ihres Engagements für Rostock im Sinn: „Die Stadt würde an Prestige gewinnen. Vieles würden wir ehrenamtlich organisieren. Die Miete können wir allerdings nicht stellen. Hier ist die Stadt gefragt. Es muss kulturell etwas passieren, besonders für eine gute Off-Kulturszene. In anderen Städten funktioniert es auch“, fasste Christof Lange als einer der Initiatoren damals zusammen, was klein angefangen und groß gedacht war.
Und sehr schnell zog die nun unter dem Namen Schauwerk firmierende Spielstätte mehr und mehr Gäste an. Immer neue Mitstreiter kamen hinzu, trafen sich, um den Ort in Netzwerkarbeit zu beleben. Das unkonventionelle Agieren, aber auch das motivierte Zusammenspiel der verschiedenen Initiativen machten den besonderen Zauber des Hauses aus. Theater- und Tanzaufführungen wechselten sich ab mit Music Slams und Improabenden. Ausstellungen wurden eröffnet und schlossen mit kulturbunten Finissagen. Sonntagsbrunchs fanden statt, eigene Austauschformate und Diskussionsabende zu stadtpolitischen Themen wurden geplant.
Die Freude währte ein reichliches Jahr. Im Frühjahr 2015 war eine Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder der städtischen Betreibergesellschaft der Meinung, dass die Stadt es sich unmöglich leisten könne, das Schauwerk für eine günstige Miete zu überlassen. Die Argumente, dass dies die einzige städtische Unterstützung sei, die die Akteure bekämen und beanspruchten, und dass auch ein leerstehendes Haus erhebliche Kosten verursache (die Differenz zwischen Betrieb und Leerstand also sehr viel geringer sei, als es auf den ersten Blick scheine) verhallten ungehört.
Am 30.6.2015 gaben die Freigeister vor ausverkauftem Saal ihre Abschiedsvorstellung, viele von ihnen mit Tränen in den Augen. Es gab und gibt sie auch nach diesem Tag – sie spielen weiter, an wechselnden Orten und in herzerwärmender Weise. Was auf der Strecke blieb ist ein Haus, das Rostock in ein neues, erfrischendes und besonderes Licht tauchte. Ein Ort, dem das Improvisierte hervorragend stand und dessen Fehlen eine Lücke hinterlassen hat, die bis heute nicht geschlossen werden konnte.
Erinnern heißt in diesem Fall: Die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen – den Boden zu bereiten, willkommen zu heißen, zu unterstützen. Nicht zu demotivieren und zu verhindern. Denn nicht mehr und nicht weniger als möglichst viele Schauwerke braucht eine Stadt, um bunt und offen zu sein. Und zu bleiben. Und gerade in Bezug auf dieses Gebäude ist die Chance noch nicht vollends vertan.
„Es geht nicht darum, ob das Haus nun ‚Schauwerk‘ oder ‚Theater im Stadthafen‘ heißt. Es geht auch nicht darum, welcher Kulturträger in den Räumlichkeiten agiert. Aber es geht darum, wie gedankenlos die Stadt mit dieser Spielstätte umgeht. Wie sinnlos es ist, dass diese Bühne seit fast drei Jahren leer steht, während sowohl freie als auch subventionierte Einrichtungen genau solche Räume brauchen. Damals hatte ich das Gefühl, als seien wir der Politik etwas schuldig gewesen, weil sie uns das TiS zur Verfügung gestellt hatte. Inzwischen ist mir bewusst, dass die Stadtpolitik UNS etwas schuldig ist, weil sie es damals versäumt hat, unseren Einsatz, unser Ehrenamt und unser Konzept zu würdigen und zu unterstützen – sie schuldet uns diese Bühne. Wir sollten gemeinsam einen Ort für alle Kulturschaffenden daraus machen. Eine OFFENE BÜHNE für die Schauspielgruppen, Theaterensembles, Musiker, Sänger, Autoren und bildenden Künstler Rostocks. Eine OFFENE Bühne für kleinere freie Träger, wie Freigeister und Tanzland es sind, aber auch für große Institutionen wie das Volkstheater und die hmt. Aber auch eine OFFENE BÜHNE , auf der sich die Schulen präsentieren können und die Kinder der Hansestadt Gelegenheit haben, das erste Mal auf der Bühne zu stehen. Wir sollten das Gebäude wiederbeleben, doch dieses Mal, im Jubiläumsjahr Rostocks MIT der Unterstützung der Stadtpolitik.“ – Schauwerk-Initiator Christof Lange im März 2018.
André Knabe und Kristina Köbe
Info: „Rostocks Verschwundene Orte“ ist ein Netzwerk aus Rostockerinnen und Rostockern, die sich nicht länger mit dem Verschwinden besonderer Orte und der Behinderung zivilgesellschaftlicher Initiativen und bürgerschaftlichen Engagements in unserer Stadt abfinden möchte.
Kontakt: verschwundene-orte@solidaris.me, facebook.com/RostocksVerschwundeneOrte
Foto: Tom Maercker
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