Report
Hafenerweiterung? Nicht So!
Dez 21
Die aktuellen Pläne der Hansestadt Rostock für den Ausbau des Rostocker Hafen, halten für die einheimische Natur nicht viel Gutes bereit: Das ökologisch wertvolle Moor am Breitling, die Oldendorfer Tannen und der Peezer Bach mit seinen Salzwiesen und Salzröhrichtbeständen sollen weichen, um eine Flächenerweiterung um 660 Hektar zu ermöglichen.
Wo jetzt noch tausende von Vögeln leben und brüten, plant die Rostock Port GmbH neue Gewerbe- und Logistikflächen. Die Zerstörung der Biotope sei ein vertretbarer Preis, wenn man doch auf eine Ansiedlung neuer Unternehmen und bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze hoffe, begründete Rostocks Oberbürgermeister Madsen Anfang November seine Befürwortung des Projekts (OZ vom 1.11.2021). Diese Abwägung ist für Rostocker Umweltaktivist*innen nicht nachvollziehbar. Eine Initiative gegen die Hafenerweiterung gründete sich und äußerte öffentlich Kritik: „Kurzfristige Wirtschaftsinteressen stehen erneut vor nachhaltigem Wirtschaften. Wir appellieren an die Verantwortlichen in der Hansestadt und bei Rostock Port, die Entscheidung für die Zerstörung der wertvollen Biotope zu überdenken.“ NABU und BUND liegen nicht nur, aber vor allem auch die Trockenlegung von 200 Hektar Moorfläche schwer auf der Seele. Sie verweisen auf die enorme Bedeutung von Mooren für den Klimaschutz. Diese würden große Mengen CO2 über Jahrtausende sicher einlagern. Entwässerte Moore dagegen setzen nicht nur viel CO2 frei, sondern auch das noch viel schädlicheres Lachgas. Entwässerte Moore seien schon jetzt eine der größten CO2-Emitenten in MV – einer der Gründe, warum der Moorschutz im Rahmen der aktuellen Koalitionsgespräche zwischen SPD und Linke als fester Bestandteil auf dem Weg zur Klimaneutralität des Landes benannt wurde. Dem Land gehören immerhin 25% der Fläche des Rostocker Hafens – die anderen 75% sind Eigentum der Stadt, deren Tochterunternehmen die Rostock Port GmbH ist. Selbst in der Rostocker Stadtverwaltung räumte man auf Nachfrage inzwischen ein: „Die Zerstörung und der vollständige Verlust des Moorbodens mit einhergehenden Folgewirkungen wie C02-Freisetzung stellen eine irreversible erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung und den gravierendsten, nicht kompensierbaren Konflikt zum Schutzgut Boden dar.“ Hinzu kämen die über den eigentlichen Hafenstandort hinausgehenden Umweltauswirkungen, erklärt der Rostocker NABU. Würde man die Hafenkante tatsächlich bis in den Ostbreitling erweitern, stehe das Ostseewasser mit seinen hohen Salzgehalten direkt am Schnatermann. Die Niederungen und Waldränder der Rostocker Heide haben sich über die Jahrtausende unter ganz anderen Voraussetzungen herausgebildet. Werden sie jetzt direkt dem Salzwasser ausgesetzt, ist dort kein Baumwachstum mehr möglich. Darauf hatten die Umweltverbände schon in dem erst kürzlich abgeschlossenen Verfahren zur erneuten Seekanalvertiefung hingewiesen, konnten sich aber kein Gehör verschaffen: „Dies und die angestrebte Ausweisung der Hafenerweiterungsflächen als Vorranggebiete durch die Landesplanung zeigen, dass die globalen humanökologischen Handlungserfordernisse des Klima- und Biodiversitätsschutzes bei den beteiligten Behörden noch immer nicht angekommen sind“, so der NABU weiter. Die Rostocker Grünen teilen diese Einschätzung und haben eine Petition gestartet: „Für uns steht außer Frage, dass es zu diesem Eingriff nicht kommen darf. Mit der Petition wollen wir Öffentlichkeit und eine Beteiligung der Stadtgesellschaft erreichen und natürlich auch Widerstand artikulieren. Parallel werden wir über unsere politischen Strukturen gegen das Vorhaben aktiv werden. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen“, erklärte Uwe Flachsmeyer, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Beweggründe seiner Partei. Natürlich sei der Hafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Rostock, doch könne man Gewerbeflächen in diesen Zeiten nicht mehr ohne Rücksicht auf Natur und Klima entwickeln. Die große Nachfrage nach Gewerbeflächen direkt am Wasser, die Befürworter der Hafenerweiterung als Hauptargument ins Feld führen, halten die Grünen und auch die Klimaaktivist*innen nicht für ein unüberwindliches Argument. Es gebe Alternativen, so etwa eine bessere Anbindung von Gewerbeflächen im Hinterland an das Schienennetz, so dass Unternehmen sich nicht zwingend an der Kaikante ansiedeln müssten. Dies sei umso wichtiger, als es hier um mehr als eine lokale Entscheidung gehe: „Wir können uns in Europa auch nicht über die wirtschaftlich motivierte Abholzung der Regenwälder aufregen und gleichzeitig einen Raubbau an unserer schon weitgehend industrialisierten Landschaft vornehmen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum darf nur im Einklang mit der Natur erfolgen. Wir müssen dann an bestimmten Stellen auf Wirtschaftsflächen verzichten“, unterstreicht Uwe Flachsmeyer. Es bleibt zu hoffen, dass eine gemeinsame Abwägung innerhalb der Stadtgesellschaft den Weg zum Erhalt der Biotope ebnet. Gleichzeitig geht es hier um mehr als „nur“ um die Hafenerweiterung: Vor nunmehr zwölf Monaten hat Rostock sich die eigene Klimaneutralität bis zum Jahre 2035 zum Ziel gesetzt. Ende 2021 sollte ein Konzept vorliegen, das genau erläutert, wie das erreicht werden soll. Davon ist aktuell nichts zu hören, so dass weder beim Hafenausbau noch bei aktuell geplanten Baumfällungen oder Flächenversiegelungen klar ist, wie ihre Klimaschädlichkeit durch andere Maßnahmen kompensiert werden soll. Es scheint dringend Zeit, die Stadt an ihre eigenen ebenso ambitionierten wie notwendigen Vorsätze zu erinnern.
KRISTINA KOEBE
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