Brecht-Enkelin Johanna Schall inszeniert die Oper am Volkstheater Rostock und erarbeitet eine abendfüllende Produktion mit der Musik von Kurt Weill und den Texten von Bertolt Brecht. Premierenabend ist der 28. Februar 2015.
Viele junge Menschen scheuen das Musiktheater und denken bei einer Oper im ersten Moment vielleicht an korpulente italienische Frauen, welche uns opulente und Raum einnehmende Arien um die Ohren schmettern. Dabei handelt es sich um die Vertonung einer dramatischen Dichtung. Hier wird Schauspiel gepaart mit Musik, Gesang und Tanz. In Deutschland gibt es zahlreiche Opernhäuser und auch in unserem Rostocker Volkstheater steht das Musiktheater auf der Spartenkarte. Aktuell finden dort die Proben zur Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" statt. Eingeladen als Regisseurin für die Inszenierung wurde Johanna Schall. Die ehemalige Schauspieldirektorin des Volkstheaters (2002 bis 2007) kehrt nun zum wiederholten Male an ihre frühere Wirkungsstätte zurück. Mit an ihrer Seite stehen Dramaturg Michael Mund und der musikalische Leiter der Produktion Robin Engelen.
Die Oper, die 1930 in Leipzig – unter Störaktionen und Tumulten – uraufgeführt wurde, komponierte Kurt Weill. Bertolt Brecht schrieb die Texte, das sogenannte Libretto. Brecht und Weill arbeiteten bereits seit 1927 zusammen. Dabei entstand auch "Die Dreigroschenoper" (1928). Für ein Festival in Baden-Baden vertonte Weill fünf Gedichte von Brecht und produzierte daraus ein Songspiel, welches den Grundstein für "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" legte. Das bekannteste Stück daraus dürfte der "Alabama Song" sein, der im Jahre 1967 erfolgreich von den Doors gecovert wurde und den zynischen Abschied der Hoffnung auf ein besseres Leben, auf romantische Liebe und Geborgenheit wieder gibt.
In "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" beschreibt Brecht in seiner abstrahierten Sichtweise das damalige Amerika, zeigt sich kritisch gegenüber dem Materialismus, verherrlicht jedoch gleichzeitig die Jazz-Musik. Der Goldrausch, ein Hurrikan, Glücksspiel und Whiskey – Symbole der kapitalistischen und materialistischen Zustände einer Zeit, die in sich sehr zerschunden war. Der Erste Weltkrieg war vorbei. Der Nationalsozialismus nahm zunehmend erschreckende Züge an und der Zweite Weltkrieg stand kurz vor dem Ausbruch. Die Weltwirtschaftskrise löste Resignation und Verzweiflung aus und führte zu Armut und Kriminalität.
"Wenn man die Oper hört und auch die Texte liest, spürt man einfach, wie sie in der sehr hitzigen, sehr zerrissenen politischen Zeit auch verwurzelt ist", so Johanna Schall.
Die Story: Auf der Flucht vor der Polizei treffen drei Kleinganoven aufeinander und erbauen am Rande einer Wüste die Stadt Mahagonny. Ein Ort der leichten Mädchen und des schnellen Dollars, welcher frei nach dem Motto existiert: "Du darfst alles!". Aber kein Geld zu haben, darauf steht die Todesstrafe. Dieses Schicksal droht auch Paul Ackermann, der sich unsterblich in die Hure Jenny verliebt hat. Als er seine Rechnung nicht bezahlen kann, lassen ihn seine Freunde hängen und ihm wird der Prozess gemacht.
Insgesamt erinnert die Geschichte um die Stadt Mahagonny an Las Vegas. Die Devise lautet: "Erstens, vergesst nicht, kommt das Fressen, zweitens kommt der Liebesakt, drittens das Boxen nicht vergessen, viertens Saufen laut Kontrakt. Vor allem aber achtet scharf, dass man hier alles dürfen darf." Und trotzdem sind die Stadt und ihre Bewohner von Anfang an dem Untergang geweiht…
Um die Geschichte der vermeintlichen "Paradiesstadt" auf die Bühne zu bringen, proben zur Zeit Sänger, der Opernchor, die Tänzer und Mitglieder der Norddeutschen Philharmonie Rostock im Volkstheater. Regisseurin Johanna Schall formt die Inszenierung zu einem Ganzen. Bestimmte Abfolgen sind vorgegeben; andere konnte sie im Entstehungsprozess verändern. Eine Frau, die keine Herausforderung scheut. Auch wenn ihre Wurzeln eigentlich im Sprechtheater liegen, inszenierte sie bereits auch Brechts "Dreigroschenoper". Mahagonny in die heutige Zeit zu versetzen, war für Johanna Schall nie ein Thema. Die Darsteller spielen auf einer kargen Theaterbühne (Bühnenbild: Horst Vogelgesang) in Cartoon-artigen Kostümen (Kostüme: Jenny Schall), die irgendwo zwischen den 30er Jahren und heute liegen.
Das Ergebnis der sechswöchigen Probenzeit wird am 28. Februar auf der Bühne des GROSSEN SAALS zu erleben sein.
ANTJE BENDA
Mit: Jasmin Etezadzadeh, Garrie Davislim, Tim Stolte, Elise Caluwaerts, Daniel Ohlmann, Daniel Philipp Witte, Maciej Idziorek, Karl Huml, Opernchor des Volkstheaters Rostock, Tanzcompagnie des Volkstheaters Rostock, Norddeutsche Philharmonie Rostock
Premiere 28.02.2015 · 19.30 Uhr · GROSSER SAAL