Bühne
Go West oder: wie im Osten alles anders wurde
Aug 24
Das neue Musical im Volkstheatersommer wird ab August in die 1990er Jahre führen.
Rund ein Dutzend Menschen toben über die Bühne, singen, tanzen, tragen Werbeutensilien. „Weißer Riese“ oder „Jacobs Krönung“ steht da zu lesen. „Go West“, die Hymne der Pet Shop Boys, erklingt. Die frühen 1990er sind Thema im Sommermusical des Volkstheaters, das am 24. August in der Halle 207 Premiere hat. Die Proben laufen.
Die Story: Wild wird es im mecklenburgischen Dorf Dröggelin. Erst fallen Finanzhaie ein und wollen den Nowacks die Gaststätte abknöpfen, dann wird alles anders und ein Musikfestival entsteht – vermischt mit ekstatischen Szenen in einer westdeutschen Großstadt. Emotionen, starke Geschichten von Menschen im Taumel der deutschen Einheit und jede Menge gute Musik.
Mittendrin: Torsten Nowack (Cedric von Borries), der Sohn der Wirtsfamilie vom Dorf, und Stefanie Hoffmann (Klara Eham), Tochter eines Hoteliers im Expansionsmodus. Ossi und Wessi(ne) – eine Geschichte, wie es sie unzählige Male nach 1989 gab. Mit Liebe, die alles ändern kann.
Um die 90er zu verstehen, haben Dramaturg Arne Bloch, Regisseur Daniel Pfluger und die Schauspieler:innen die Zeit gründlich studiert: „Viel Musik, Videos, Bildbände und Gespräche mit Leuten, die das damals erlebt haben“, sagt Pfluger. So ernst der Ausverkauf im Osten damals auch war; wichtig sei fürs Musical, „eine gute Balance zwischen Neugier und Vorurteilen zwischen Ost und West zu finden“.
„Ja, so war das damals“, sagt Katrin Heller – im Stück Gastwirtin Renate Nowack. Die Schauspielerin stammt aus Ostberlin, begann 1990 mit dem Schauspielstudium. An diese Zeit habe sie sehr gemischte Erinnerungen. Einerseits die Freiheit, die neuen Möglichkeiten. Andererseits waren die frühen 90er von Massenarbeitslosigkeit und Abwanderung geprägt. „Die Mieten stiegen plötzlich mächtig an. Das war nicht gut.“
Und es kamen Glücksritter aus dem Westen, um Geld zu machen. Einer wie Banker Jürgen Wagner in „Go West“. Den spielt am Volkstheater ausgerechnet Ulrich K. Müller, geboren in Bremerhaven, der damals „ein Linker im Westen“ gewesen sei. Er persönlich habe die Maueröffnung nicht bejubelt: „Für uns war klar: Das ist der Beginn des Ausverkaufs.“
Viele Anekdoten von Kolleg:innen seien im Stück gelandet, erzählt Pfluger. Etwa eine typische Mutprobe für junge Leute damals. „Baden in der Ostsee in der Nacht“, habe eine Kollegin gesagt. Klar, damals gab es Patrouillen auf dem Meer, die etwaige Republikflüchtlinge stoppen sollten. Heute unvorstellbar.
Und die Musik! Da scheppern und schnulzen die 90er durch die Halle 207. Erinnerungen an die erste Liebe werden wach, wenn die Darsteller:innen die Songs von Nirvana, Silly, Keimzeit oder Michael Jackson bringen. „Friday I’m in Love“ (The Cure) singen Eham und von Borries. Berührend.
Auch optisch werde „Go West“ besonders, verspricht Daniel Pfluger. Neben einer speziellen runden Bühne, deren Wände sich öffnen und schließen, sind Lichtshows und Projektionen vorgesehen. Am Ende schlage das Musical die Brücke zur Festivalkultur à la Loveparade. Pfluger: „Die Kostüme werden ziemlich abgefahren sein.“
Premiere „Go West“ 24.08.2024 · 19:30 Uhr · Halle 207
Bild: Noch probt das Ensemble im Malsaal – am 24. August ist Premiere in der Halle 207
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